1. Mai nazifrei?

geschrieben von Markus Roth und P.C. Walther

5. September 2013

Unterschiedliche Erfahrungen aus Berlin und Frankfurt/Main

Mai-Juni 2013

Gerademal 450 Neonazis hatten es zum bundesweiten Aufmarsch der NPD in Berlin-Schöneweide geschafft. Vor allem aus dem Umland und Mecklenburg-Vorpommern waren sie angereist um gegen den Euro zu demonstrieren. Die kurze Route vom Bahnhof über die Spree und zurück führte den Aufmarsch durch »eigenes« Gebiet. In Schöneweide gibt es mit Abstand die meisten Berliner NPD-Wähler und die Neonazis betreiben hier mehrere Geschäfte, Kneipen und Clubs. Die Route war offensichtlich ein Kompromiss zwischen NPD und Polizei: Kurz, aber dafür blockadefrei. Eine erneute Blamage, wie der blockierte Aufmarsch im Berliner Prenzlauer Berg 2010 sollte ihnen diesmal erspart bleiben. Der Ablauf des Tages war von der Anfahrt bis zum anschließenden Rechtsrockkonzert genau mit den Neonazis abgesprochen und taktisch durchgeplant. Mit der Lahmlegung des Straßenbahnverkehrs, der S-Bahn und der Spreebrücken, sowie der Bereitstellung von Sonderzügen und bewachten Parkplätzen, kam man ihnen noch mehr entgegen als sonst. Die einzigen, die sich an diese Kompromisslösung nicht halten wollten, waren die antifaschistischen Demonstranten. Von zwei Sammelpunkten aus machten sich Tausende organisiert auf den Weg, teilten sich strategisch auf und bewegten sich durch unterschiedliche Straßen auf die Route zu. Doch die knapp 5.000 Protestierer scheiterten gnadenlos an hermetischer Abriegelung durch Gitter und der Verteidigung dieser durch massive Polizeipräsenz, exzessivem Einsatz von Pfefferspray, Knüppeln, Hunden und Wasserwerfern. Nur ein entlaufendes Rennpferd von der nahegelegenden Trabrennbahn-Karlshorst überwand die Sperre.

Ein Novum stellte eine kleine Betonskulptur am Anfang der Route dar. Vier Aktivisten hatten sich Stunden vor dem Aufmarsch in ihr festgekettet. Pünktlich zum Start waren auch sie mit einer Hebebühne abtransportiert. Erfreulich war auch die Beteiligung der Anwohner, die sich nicht zuletzt aus Frust gegen die polizeilichen Maßnahmen mit den antifaschistischen Protesten solidarisierten. Der ganze Bezirk war geschmückt mit Anti-Nazi-Parolen.

Wesentliche Dinge ereigneten sich aber im Vorfeld: Einen Tag vor dem 1. Mai gab es mit 4.000 Teilnehmenden die wohl größte antifaschistische Demonstration, die Schöneweide je gesehen hat. Regional wurde in den letzten Monaten viel Aufwand betrieben um die Anwohner zu sensibilisieren. Rund 15.000 Haushalte wurden mit Postwurfsendungen informiert, es gab mehrere Kundgebungen, antifaschistische Fahrradtouren und Veranstaltungen. Die Dauerpräsenz des Neonaziproblems in dem Stadtteil wurde exemplarisch auch in überregionalen Medien besprochen.

Anders lief der Tag in Frankfurt am Main. Hier wurde mit Blockaden der Neonazi-Aufmarsch verhindert. Mehrere tausend Nazigegner unterschiedlichster Organisations- und Gruppenzugehörigkeit – vereint in dem Bündnis »Frankfurt Nazifrei« – blockierten alle Zufahrtswege (einschließlich der Bahngleise) zum vorgesehenen NPD-Kundgebungsort. Wenngleich es auch in Frankfurt zu teilweise rabiaten Polizeieinsätzen kam, so war doch eine sofortige umfassende »Räumung« nicht möglich. Die Erfahrung bestätigte sich: Wenn Nazigegner in großer Zahl und ebenso großer politischer Breite auftreten, sind Blockaden nicht einfach wegzuräumen.

In Frankfurt kam es zu unterschiedlichen Antinazi-Aktionen zweier großer Bündnisse. Das »Römerbergbündnis« aus DGB, Kirchen, Jüdischer Gemeinde und Stadtjugendring brachte rund 8.000 Menschen zur Kundgebung zusammen. Auf ihr spielten auch zwei VVN-Mitglieder eine Rolle: Esther Bejarano als Sängerin (mit der Microphone Mafia) und Doris Fisch als Tochter eines Widerstandskämpfers und Mitinitiatorin des Aufrufs »Frankfurt Nazifrei!«. Die VVN wirkte als eine Verbindung zwischen beiden Bündnissen.

Maßgebend für den Erfolg der Blockaden war die Entschlossenheit und zugleich Besonnenheit der drei- bis viertauensend Aktiven, vor allem junger Menschen, die die Blockaden ermöglichten. Eine Rolle spielte zugleich die breite politische Unterstützung – bis hin zum Oberbürgermeister, der betonte, solange er Stadtoberhaupt sei, werde jeder Aufmarsch der NPD verboten.

1. Mai Nazifrei!

5. September 2013

Mai-Juni 2009

Mehr als 2000 Demonstranten blockierten in Köpenick die NPD-Bundeszentrale, in der sich 283 Neonazis zu einem »Maifest« trafen. Schon in den Morgenstunden fuhren hunderte Antifaschisten zum S-Bahnhof Köpenick, um die Anreise der Neonazis zu verhindern. Ihnen gelang es für mehrere Stunden, den Bahnhof zu besetzen und den Zugverkehr lahmzulegen. In die Sitzblockaden reihten sich auch Landespolitiker der Linkspartei ein. Bei der Räumung setzte die Polizei Pfefferspray ein und trug Demonstranten vom Bahnsteig.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht eine Neonazi-Kundgebung in Hannover in letzter Minute endgültig verboten hatte, fuhren rechtsextreme Demonstranten nach Rotenburg/Wümme als Ausweichort. Wie die Polizei mitteilte, störten rund 100 Neonazis dort eine Gewerkschaftsveranstaltung. Anschließend zogen die Rechtsextremisten durch die Stadt. Es gab kleinere Rangeleien mit der Polizei, ein Beamter wurde leicht verletzt. In Friedland bei Göttingen löste die Polizei einen Aufmarsch von 35 Mitgliedern der rechten Szene auf. Außerdem nahm die Polizei in Gifhorn 18 Rechtsextremisten, die auf dem Weg nach Hannover waren, in Gewahrsam.

20.000 Menschen demonstrierten in Hannover gegen Neonazis und Fremdenfeindlichkeit – die Nazi-Veranstaltung war verboten.

Etwa 3.000 Menschen blockierten ab 9 Uhr sechs Stunden lang rund um den Bahnhofsplatz alle denkbaren Marschrouten der angekündigten Neonazi-Demonstration, so dass die 175 Neonazis der »Initiative Südwest« ihren Aufmarsch absagten. Eine Demonstration unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Beck zog mit 1500 Teilnehmern parallel durch die Innenstadt von Mainz.