5000 Gründe für NPD-Verbot

5. September 2013

Regina Scheer auf der NoNPD-Veranstaltung am 29. Januar 2009 in Berlin

Juli-Aug. 2009

Regina Scheer am 29. Januar 2009. Sie ist Autorin, Historikerin und Herausgeberin zahlreicher Bücher.

Viele, die zögern, ein Verbot der NPD zu fordern, haben bedenkenswerte Argumente. Ja, es ist wahr, dass wir es nach einem Verbot dieser Partei immer noch mit Rassismus und Menschenverachtung im Alltag zu tun hätten, nicht nur bei primitiven Schlägern, sondern auch bei eloquenten Historikern, biederen Bürgermeistern, abgestumpften Polizisten, wild gewordenen Kleinbürgern in Mügeln und anderswo. Der bösartigen Dummheit zu begegnen, der Herzensträgheit und völkischen Überheblichkeit, wird unsere Aufgabe bleiben. Und doch: Die NPD muss verboten werden. Damit ihre Macher kein Geld mehr aus öffentlichen Kassen bekommen, damit sie sich nicht in Parlamenten spreizen, damit ein Zeichen gesetzt wird.

Von Goebbels stammt das hämische Zitat, bezogen auf die Weimarer Republik: »Das wird immer einer der besten Witze der Demokratie bleiben, daß sie ihren Todfeinden die Mittel stellte, durch die sie vernichtet wurde.«

Vor fünf Jahren haben Verfassungsrichter die Einstellung des Verbotsverfahrens mit der »fehlenden Staatsferne« der NPD begründet. Das ist eine Aussage über den Staat, dem diese Partei nicht fern genug steht.

Ich frage mich, ist die NPD von V-Leuten durchsetzt oder wird sie gar von V-Leuten gesteuert? Wohin? Wo ist die Kontrolle?

In diesen Tagen wird oft Brecht zitiert: »Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.«

Brecht hat auch über den österreichischen Faschismus geschrieben, 1934 in der Kantate auf Koloman Wallisch, was auf die NPD passt, heute:

Sie lügen die Berge weg!
Ihr Maul hat 5 Zungen:
Eine ist väterlich.
Eine ist lehrerhaft.
Eine des gemeinen Mannes.
Eine des Seelsorgers.
Eine des Schlächters.

5000 Gründe für NPD-Verbot

5. September 2013

Heidrun Hegewald auf der NoNPD-Veranstaltung in Berlin am 29. Januar
2009

Mai-Juni 2009

Heidrun Hegewald (geboren 1936) lebt und arbeitet als Malerin, Grafikerin und Autorin in Berlin.

»Ich begrüße Sie in der Komplicenschaft der NICHT-Gleichgültigen! DIE SCHAMSCHWELLE IST ÜBERSCHRITTEN

Rechtsradikalismus ist sozial und damit politisch herstellbar. Die Masse der Neofaschisten rekrutiert sich zu Gewaltbündnissen, arbeitslos, bildungsfrei – materiell und geistig mittellos. Ein KULTURLOSER SOZIALSTAND. Auf der Suche, dem sinnentleerten Leben Attraktion zu geben, entsteht eine gefährliche Anfälligkeit.

Die elektronischen Medien, die Videofreiheit und Tötungsspiele drängen Anreize auf für brutale Moralverschiebung. Elektronisch modifizierte Identitätssuche in privater Instanz. Für die Idolbesetzung wird das Schlachtfeld gesucht. Das massenpsychologische Bündnis auf der Suche nach dem Beifall der Masse findet an der untersten Intelligenzgrenze statt.

NATIONALISMUS und FREMDENHASS vermischen sich mit dem Selbsthaß der Versager – verschuldet oder unverschuldet. Anerlebter Aggressionsstau. Angst vor der eigenen Nichtigkeit in den schwarzen Löchern der Gesellschaft.

Mit unfaßbarer Schamlosigkeit wird das nationalistische Geschichtsmuster des Grauens anempfunden und dient der Legitimierung für handelnden Haß gegen die Schwächeren. Die ANDEREN. Und ANDERE.

Demütiger und Demutige. Neu-gestellter Generationskonflikt.

AUTORITÄTSVERLUST. Aberkennung vormaliger Anerkennung. Mit allen soziopsychologischen Folgen. In OST-Deutschland. Die Muster sind vergeben. Erkennbar und nachahmbar. Das Analphabetentum greift um sich: Der steigende TV-Konsum manipuliert Bewußtsein im Zustand der geistigen Minimal-Anspannung. Regierungshaushalte wetteifern in frevelhaftem Geiz, den Etat für Bildung, Wissenschaft und Kultur gering zu halten: In dieser Verwahrlosung des Bildungs- bzw. Ausbildungssystems reift folgenschweres Zivilisationsdefizit heran.

Das Vorstehende ist der Auszug aus einem 1991 geschriebenen Text, gedruckt in meinem Buch »Frau K. Die zwei Arten zu erbleichen«, 1993 bei Dietz.

Damals habe ich noch nicht erwartet, daß die NPD legitimiert – mandatsabhängig regierungsfähig – ihre Entwicklung machen darf, um Gedankengut zu ideologisieren, das es nach Auschwitz nicht mehr geben dürfte und damit auch auch nicht die NPD.

Das Verbot dieser Partei ist eine moralisch-humanistische Pflichttat, erinnernd die deutschen Verbrechen faschistischer Prägung.

Dafür gibt es kein Verjähren. Dafür gibt es kein Verzeihen. Kein Vergessen! Ein zeitloses Gebot ist: Dem Anfang zu wehren. Aber von Anfang kann schon lange nicht mehr die Rede sein.

Die soziale Austreibung – die Landflucht der Menschen im Osten Deutschlands -schafft sozial sinnentleerten Freiraum für die willkommenen Retter und Heils-Versprecher. Mit Trotz und Enttäuschung entstehen Wählerstimmen für die NPD.

Auch Hitler hat aus der tiefsten Krise Deutschlands seinerzeit den explosiven Aufschwung in sein teuflisches Konzept erhalten. Die NPD verbieten ist der Schritt, mit dem der erste nicht erledigt werden kann: Der wäre sozialer Ausgleich im Sinne von Gerechtigkeit.

Das Menschenrecht auf Arbeit muß sicher sein. Damit sinnerfülltes Leben erst möglich wird. Kultur gelebt und geleistet werden kann. Demokratie ist kein Deklarationstext politischer Gazetten, sondern ein spürbares, zu erlebendes und zu benutzendes gesellschaftliches Programm.

Eine Regierung, die zu feig ist, das Verbot der NPD auszusprechen, hat sich desavouiert. Und bekennend bekannt! Demokratie ist als Alibi für diesen Fall untauglich.

Nehmen wir also 5000 und einen Grund, den Fall zu Fall zu bringen!«