Aber ausgerechnet den?

geschrieben von Axel Holz

5. September 2013

Wunderliche Auferstehung eines Nazi-»Märtyrers« in
Schwerin

Jan.-Feb. 2010

Schwerin nennt sich gerne »Venedig des Nordens« und hat 2009 als »BuGa-Stadt« einen touristischen Bekanntheits-Schub bekommen. Damit das so bleibt, lässt man sich zur 850-Jahrfeier der Stadt einiges einfallen. Die SPD-Fraktion in der Stadtvertretung hat sich kürzlich mit einem Exposé für eine Ausstellung zum Jubiläum 2010 zu Wort gemeldet. Kulturgeschichtliche und andere Ereignisse über die Jahrhunderte sollen gewürdigt werden. Mager und recht seltsam in dem Exposé nimmt sich allerdings diese Passage aus: »Im 20. Jahrhundert lag Schwerin eher an der Peripherie der Ereignisse. Eine Ausnahme bildet die Ereigniskette, die sich mit dem Namen des Schweriners Wilhelm Gustloff verbindet«.

Dabei gäbe es doch – gerade von der SPD – Bedeutendes aus der damaligen Stadtgeschichte zu vermelden. Etwa über die Beseitigung der Adelsherrschaft in Folge der Novemberrevolution und den Aufbau demokratischer Strukturen gegen den Widerstand der Kapp-Putschisten. Oder über die herausragende Rolle der SPD-Landesregierungen bei der Stärkung der Demokratie, über den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Johannes Stelling, der dann als einer der Ersten von den Nazis gefoltert und ermordet wurde. Der Widerstand von Sozialdemokraten und Kommunisten gegen die Naziherrschaft wäre ebenso der Erwähnung wert wie der konservative Widerstand, mit dem sich Namen wie Ulrich Graf von Schwerin und Hans Oster verbinden.

Aber ausgerechnet Wilhelm Gustloff? Liegt es am Verfasser des SPD-Exposés, dem für diese Epoche lediglich eingefallen zu sein scheint, dass der Leiter der NSDAP-Auslandsorganisation in der Schweiz und spätere »Märtyrer« des NS-Staates in Schwerin das Licht der Welt erblickt hat? Der Exposé-Autor heißt Rudolf Conrades. Für das Schleswig-Holstein-Haus in Schwerin hatte er 2006 die Ausstellung über das Werk von Hitlers Renommier-Bildhauer Arno Breker initiiert. Die Schau verzeichnete rund 50 000 Besucher; über die NS-Verstrickungen des Künstlers schwiegen sich Ausstellung und Katalog weitgehend aus.

Weshalb der auf ihr Image bedachten Hauptstadt im Norden bis heute der Ruf anhaftet, mit der Nazivergangenheit zumindest leichtfertig umzugehen.