Abwägungssache

geschrieben von Ernst Antoni

5. September 2013

Braune Gewalttäter amüsieren sich über Kontaktverbote

Mai-Juni 2011

Neu ermitteln

Einstimmig haben sich jetzt die Abgeordneten des Bayerischen Landtags dafür ausgesprochen, die Ermittlungen zum Münchner Oktoberfest-Anschlag wieder aufzunehmen. Bei dem Bombenattentat im September 1980 waren 13 Menschen getötet und über 200 verletzt worden. Unter den Toten befand sich der Neofaschist Gundolf Köhler, als Attentäter ermittelt und anschließend von den Behörden als verwirrter Einzeltäter präsentiert. Noch ist die zuständige Bundesanwaltschaft nicht bereit, trotz neuer Indizien und zahlreicher Pannen bei der damaligen Fahndung nach Tätern und Hintermännern die Ermittlungen wieder aufzunehmen.

»Es ist inakzeptabel, dass ein nachgewiesen neonazistischer Terrorist vor unser aller Augen seine rechtsextremistischen Wahnvorstellungen fortsetzen kann«, erklärte unlängst öffentlich die Präsidentin der Münchner Israelitischen Kultusgemeinde Charlotte Knobloch. Die ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden bezog sich auf das seit seiner Haftentlassung im August 2010 zunehmend provokative Auftreten von Martin Wiese, der wegen der Planung eines Anschlags auf die Grundsteinlegungsfeier der neuen Synagoge und des Jüdischen Zentrums in München 2003 verhaftet worden war.

Während die Empörung zunimmt, lachen sich Wiese und seine Neonazi-Kumpels ins Fäustchen. Die Kontaktverbote zu einigen ehemaligen Mittätern, die bei Wieses Freilassung – er hatte wegen »Unbelehrbarkeit« seine gesamte Haftstrafe verbüßen müssen – ausgesprochen wurden, umgehen sie lässig. »Man kann ihm leider den Kontakt zur rechten Szene nicht komplett verbieten«, so ein zuständiger Richter im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, »das würde sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletzen«. Und auch bei einer Demonstration sei es »Abwägungssache«, wenn Wiese »vorne« und einer von denen, mit denen er Kontaktverbot habe, »ganz hinten marschiert«.

Das Abwägen obläge der Bewährungshelferin oder dem zuständigen Gericht. »Das Problem ist allerdings, dass weder die Bewährungshelferin noch unsere Richter Herrn Wiese auf Schritt und Tritt folgen können.« Der Richter gibt zu, »auf Hilfe angewiesen« zu sein und appelliert an »jeden, der etwas bekunden kann.«: »Am besten wären Beweisfotos.«

Von Polizei ist nicht die Rede. Sie muss wohl andernorts beobachten, bekunden und Bilder machen.