Aktive Zivilgesellschaft

geschrieben von P.C. Walther

5. September 2013

Erfahrungen und Vorhaben eines Bündnisprojekts in Südhessen

März-April 2008

Im Stadtteil Dicker Busch der im Rhein-Main-Gebiet gelegenen Auto-Stadt Rüsselsheim kamen am 22.Januar Menschen aus unterschiedlichsten Teilen der städtischen Gesellschaft zusammen, um gemeinsam gegen Neonazis, Rechtsextremismus und Rassismus anzutreten.

Die Teilnehmer dieser Kundgebung, zu der die örtliche Bündnis-Initiative gegen Rechtsextremismus, der DGB und der Oberbürgermeister gemeinsam aufgerufen hatten, kamen aus Gruppen und Einrichtungen des Stadtteiles, aus Gewerkschaften, kirchlichen und islamischen Gruppen, Handel und Gewerbe, dem Ausländerbeirat und den örtlichen Parteien. Frauen und Männer aus Stadtteilwerkstatt und Stadtteiltreff fanden sich ebenso ein wie ortsansässige Geschäftsleute, Vertreter von Caritas, evangelischer und katholischer Kirche, muslimischer Gemeinde, aus Jugendeinrichtungen, dem Opel-Betriebsrat sowie der gesamte Magistrat der Stadt Rüsselsheim.

Ursprünglicher Anlass der Zusammenkunft war eine Ankündigung der NPD, dass sie an diesem Tag im Einkaufszentrum Dicker Busch zu einer „Wahlkampf“-Aktion aufmarschieren wolle. Die Veranstalter der Antinazi-Kundgebung hatten deshalb bei den städtischen Betriebshöfen eine Mehrzahl von Mülltonnen geordert und diese aufgestellt, um darin demonstrativ „den braunen Müll zu entsorgen“. Zuvor waren die Mülltonnen von Kindern und Jugendlichen des Stadtteils mit entsprechenden Aufschriften versehen und bunt ausgemalt worden.

Wer dann nicht kam, waren die Nazis. Doch dies tat dem Sinn und Geist der Gegenkundgebung keinen Abbruch. Die breite Ablehnung von Rechtsextremismus, Rassismus und Volksverhetzung wurde deutlich. Das war der beabsichtigte Zweck der gemeinsamen Aktion.

Seitdem gibt es im südhessischen Rüsselsheim Überlegungen, dass es doch gelingen müsse, gegen Neonazis nicht erst aktiv zu werden, wenn diese auftreten, sondern mit einem beständigen bürgerschaftlichen und zivilgesellschaftlichem Miteinander gewissermaßen eine feste Barriere gegen jede Art von Nazismus und Rassismus zu errichten.

Absicht und Ziel dieser Überlegungen ist es, die Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bürgern aus Kultur, Sport, Wirtschaft, Vereinen, Religionsgemeinschaften, Politik und Gesellschaft in einer passenden Form zu „institutionalisieren“ und so ein Kraftfeld des zivilgesellschaftlichen Zusammenwirkens gegen jede Form von Nazismus und Rassismus zu erhalten. Damit würde in der Stadt ein Klima entstehen können, dass Neonazis und ihren geistigen Produkten beständig den Zugang versperrt.

Ebenso wichtig aber auch: Eine solche aktive zivilgesellschaftliche Kultur braucht nicht erst Naziauftritte, um aktiv und wirksam zu werden.

Dass die breite und bunte Manifestation am 22. Januar auch ohne Nazis in gelungener Weise stattfand, war ein weiterer Schritt in diese Richtung: in eine zivilgesellschaftlich aktive Gemeinschaft – ohne Nazis.