Anlass zur Entrüstung?

geschrieben von P.C.Walther

5. September 2013

»Haltet-den-Dieb!« rufen Kritiker der Neofa-Ausstellung

Mai-Juni 2011

Die nicht zutreffende Behauptung, die Neofaschismus-Ausstellung der VVN-BdA und des verdi-Bezirks Nord stelle demokratische Politiker und Medien in eine Reihe mit Neonazis, nehmen einige Zeitgenossen zum Anlass (oder müsste man nicht besser sagen: zum Vorwand?) tiefer Entrüstung und der Verurteilung der Ausstellung als »untragbar«, ja sogar als »schädlich« und »ungeeignet« zur Aufklärung über den Neofaschismus.

Worum geht es tatsächlich? Die Ausstellung besteht aus 26 Tafeln mit Texten, Bildern und Darstellungen. 20 dieser Tafeln – also mehr als drei Viertel – befassen sich ausschließlich mit Darstellungen der Ideologie und Praxis des Neofaschismus. Die nächsten vier beschäftigen sich dann mit dem gesellschaftlichen und politischen Umfeld und Hintergrund des Neofaschismus, der sich nun mal mitten in unserer Gesellschaft befindet.

»Verpasster Neuanfang – Fragwürdige Erben« ist Tafel 21 überschrieben. Sie weist darauf hin, dass ehemalige Nazis nach 1945 wieder (bzw. immer noch) wichtige Positionen in Staat und Gesellschaft einnahmen und dort wirkten. Das ist eine Tatsache, die gerade in diesen Wochen in zahlreichen Veröffentlichungen etwa über ehemalige NS-Aktivisten im Auswärtigen Amt und anderen Ministerien, im BKA, BND usw. mehrfach bestätigt wird.

Unter der Überschrift »Inhaltliche Parallelen« wird auf Tafel 22 darauf hingewiesen, dass demokratische Politiker und Medien mit rechtspopulistischen Sprüchen und Parolen Vorurteile in Teilen der Bevölkerung stärken, vor allem aber damit auch Neofaschisten Freiräume eröffnen. Explizit werden entsprechende Schlagzeilen in »Bild« und »Focus« sowie ausländerfeindliche oder rassistische Parolen des CDU-Politikers Roland Koch oder des SPD-Mitglieds Thilo Sarrazin sowie sozialreaktionäre Sprüche des FDP-Politikers Guido Westerwelle angeführt. Alle diese Zitate sind ebenso unbestreitbar wie die Verbindungen zwischen manchen Rechtskonservativen mit neonazistischen Gruppierungen und Kadern (Tafel 23) und die staatliche Finanzierung und die mit der Verweigerung des Verbotsverfahrens verbundene Tolerierung der NPD (Tafel 24).

An keiner Stelle der Ausstellung werden diese Politiker, Gruppierungen oder Medien als Neonazis bezeichnet. Unbestreitbar ist jedoch, dass sie mit ihren rechtspopulistischen Parolen und Handlungen den Neonazis Munition für deren Radikalität und Zuspitzungen liefern.

Darüber lohnt sich heftige Entrüstung, nicht über die Macher der Ausstellung. Sie haben den Finger genau auf diese Wunde gelegt.