Appell zur Solidarität

geschrieben von Gerhard Hoffmann

5. September 2013

Das 3. Treffen der Nachkommen in Buchenwald war Sinti und Roma gewidmet

Mai-Juni 2012

Vor 67 Jahren befreiten sich die Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald von ihren SS-Peinigern. Um dieser mutigen Tat zu gedenken, hatte die Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e. V. (LAG) für den 15. April 2012 zum 3. Treffen der Nachkommen der Buchenwalder in den Kinosaal der Gedenkstätte eingeladen.

Das Treffen stand im Zeichen des Gedenkens an die Opfer und das Leid der im Lager und in den Außenkommandos des KZ geschundenen, gequälten Sinti und Roma. Weil ihre Minderheit bis heute ausgegrenzt wird, weil sie in Deutschland und anderen europäischen Staaten latentem und offenem Rassismus gegenüber steht, den Menschen Gewalt angetan und ihr Leben bedroht wird, sollte öffentlich Solidarität bekundet werden. Deshalb wurde das diesjährige Treffen in kameradschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma vorbereitet.

Das emotional berührende Einspiel von Fotos und Namen deutscher Frauen und Männer, deutscher Sinti und Roma, Häftlinge des KZ Buchenwald und seiner Kommandos, eröffnete das von Heinrich Fink moderierte Treffen. Eine von dem ungarischen Komponisten und Gitarristen Ferenc Snétberger meisterhaft gespielte eigene Gitarrenkomposition, ließ einen spannungsvollen Rahmen entstehen.

Als Vorsitzender der LAG begrüßte Günter Pappenheim die Anwesenden, zu denen u. a. größere Gruppen aus Dresden, Berlin und Siegen angereist waren. Zu den Gäste zählten auch Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie der Oberbürgermeister von Weimar. Als Zeitzeuge mahnte er mit Nachdruck, den neofaschistischen Umtrieben, die sich zunehmend auf Europa ausweiten, sowohl staatlich als auch mit Zivilcourage entschlossener und verbindlicher entgegenzutreten. Er bekundete ausdrücklich Solidarität mit Angehörigen der nationalen Minderheit deutscher Sinti und Roma. Seinen Dank sprach er allen aus, die mit Spenden, mit materieller Unterstützung und umfangreicher organisatorischer Arbeit das Treffen der Nachkommen ermöglichten.

Bertrand Herz, Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald, Dora und Kommandos verurteilte die Gewaltexzesse gegen Sinti und Roma in einigen europäischen Staaten und hob zugleich die Bedeutung der Solidarität hervor als wichtigen Faktor im Lager, das er als Kind überlebte. Er betonte den Standpunkt des Internationalen Komitees, überall die universellen Menschenrechte zu garantieren und Rassismus und Gewalt energischer zu verfolgen.

Als die sechsundachtzigjährige Ungarin Eva Pusztai zu sprechen begann, herrschte im überfüllten Kinosaal atemlose Stille. Sie schilderte aus eigener Wahrnehmung, wie in Auschwitz Sinti und Roma, Frauen und Kinder, aus dem von der SS so genannten »Zigeunerlager« in den Tod getrieben wurden. Ihre anrührenden Worte fanden ihren Höhepunkt und Abschluss in der mahnenden Aufforderung an die jüngeren Generationen, immer und überall Einfluss darauf zu nehmen, dass Gewalt gegen Menschen ausgeschlossen bleibt.

Emotional vom Vortrag Eva Pusztais beeindruckt, sprach Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma. Er betonte, dass in der weltoffenen Gesellschaft Rassismus keinesfalls überwunden ist. Sinti und Roma werden zu »Sündenböcken« für Auswirkungen des Versagens von Politik, sie seien nicht selten schutzlos der Gewalt ausgeliefert. Kritisch setzte er sich mit dem neofaschistischen Terror und damit verbundenen offen rassistischen Positionen auseinander. Gedankenlosigkeit und Oberflächlichkeit beförderten vielfach rassistische Vorurteile. Er forderte konsequentes Handeln der Zuständigen und der Zivilgesellschaft gegen neofaschistische Umtriebe.

Der Sinto Christian Kling aus Heidelberg las anschließend Ausschnitte aus Lebensberichten von Sinti, die in Buchenwald und Mittelbau Dora misshandelt und gequält wurden und Heiko Clajus aus Weimar berichtete über das Projekt »Schaffung des Gedenkweges Buchenwald-Bahn«.

Die Teilnehmer des 3. Treffen der Nachkommen verabschiedeten eine gemeinsame Erklärung. Heinrich Fink hob hervor, dass mit dem 3. Treffen der Nachkommen eine wichtige und bedeutsame Tradition entstanden sei, das Vermächtnis der Buchenwalder und des antifaschistischen Widerstands in seiner Gesamtheit zu bewahren.

Das Treffen endete mit einem eindrucksvollen Gedenken am Block 14, dem Denkmal für die Sinti und Roma.