Aufhellung mit erheblicher Verspätung

geschrieben von Christian Retlaw

5. September 2013

Nov.-Dez. 2007

Die Verbindungen von Großkapital und Naziherrschaft gehören zu den Themen, über die in der bundesdeutschen Öffentlichkeit nicht gern gesprochen wird, wenn das Ganze nicht gleich zur »linksradikalen Propaganda« erklärt und damit beiseite geschoben wird.

Kürzlich bekam das Thema jedoch eine fast sensationelle Aufhellung: Das ARD-Fernsehen zeigte nämlich, wenn auch zu später Stunde und in der Programmplanung eigentlich gar nicht vorgesehen, nur durch eine aktuelle Programmänderung ermöglicht, die Dokumentar-Sendung »Das Schweigen der Quandts«.

Dabei handelt es sich um einen der reichsten und einflussreichsten deutschen Industriellen-Clans und seine Verbindungen zur Naziherrschaft, aus denen die Quandts erhebliche Gewinne zogen. Nach 1945 nahmen sie, wie die FAZ anmerkte, »wieder eine Führungsrolle« in der deutschen Wirtschaft ein.

Nach der Sendung hieß es von Seiten der Quandts, man wolle nunmehr doch die Geschichte der Unternehmerfamilie von beauftragten Historikern »aufarbeiten« lassen.

Kurz nach den Quandts geriet ein weiterer Industriellenclan mit seinen Verbindungen zum Nazisystem ins Rampenlicht. Eine Veröffentlichung des britischen Publizisten David R. L. Litchfield dokumentierte den Vorwurf der Beteiligung an einer Massenmordaktion an rund 200 jüdischen Zwangsarbeitern auf dem damaligen Schloss der Thyssen-tochter Margit von Batthyany. Das Verbrechen wurde weder aufgeklärt noch gesühnt; alle Ermittlungen verliefen im Sande. Die Mordstätte wurde zum Jagdhotel umgebaut. Frau von Batthyana widmete sich bis zu ihrem Tode im Jahre 1989 der Zucht von Rennpferden auf dem Thyssen-Gestüt Erlenhof bei Frankfurt am Main.

Die jüngste Vergangenheit »aufarbeiten« lassen will nun auch das Bundeskriminalamt, nachdem laut geworden war, dass das BKA in der neu entstandenen Bundesrepublik vorwiegend von Leuten aus dem Terrorapparat der Nazis, ehemaligen SS-Führern, aufgebaut wurde.

Auch auf diesen Tatbestand war von Antifaschisten wiederholt hingewiesen worden. Doch dies wurde ebenfalls nicht zur Kenntnis genommen oder als »Propaganda« abgetan. Jetzt, nach sechs Jahrzehnten, kommt das eine und andere ans Licht der Öffentlichkeit. Was heute fürs BKA zugegeben wird, gilt ähnlich für das Auswärtige Amt und weitere Ministerien, für die Bundeswehr, für Justiz, Nachrichtendienste und eine Reihe weiterer staatlicher Einrichtungen. Es ist also noch sehr viel aufzuarbeiten.