Beklemmend aktuell

geschrieben von Erich Buchholz

5. September 2013

Kurt Gossweilwers Grundlagenwerk zur Frühgeschichte des deutschen
Faschismus

Juli-Aug. 2012

Kurt Gossweiler : Kapital, Reichswehr und NSDAP. Zur Frühgeschichte des deutschen Faschismus 1919 bis 1924. 471 Seiten, 22.40 Euro, Papy Rossa

Genau zur rechten Zeit erschien unlängst im PapyRossa-Verlag ein Reprint des Buches von Kurt Gossweiler »Kapital, Reichswehr und NSDAP. Zur Frühgeschichte des deutschen Faschismus 1919 bis 1924«, das 1982 vom Akademie Verlag der DDR und vom Pahl Rugenstein-Verlag herausgebracht worden war.

Bereits der Titel ist eine Erkenntnis. Kapital und Reichswehr werden – vom Autor so gewollt -im Titel des Buches als Grundlagen und Voraussetzungen des deutschen Faschismus markiert. In der Tat, wer ein klein wenig die jüngere deutsche Geschichte kennt oder in Teilen selbst wahrgenommen hatte bzw. durch seine Eltern vermittelt bekam, weiß – auch aus überreichlich vorhandenem Schrifttum – , dass viele ideologische Verkündungen des deutschen Faschismus bereits seit langem im deutschen Volk, namentlich in seinen tonangebenden Kreisen, bestimmend waren, so der deutsche Nationalismus, dann vor allem der besonders nach dem Sieg über Frankreich im Jahre 1871 und der Ausrufung eines deutschen Kaiserreiches mit Kaiser Wilhelm I alsbald folgende deutsche Militarismus, besonders gefördert von Kaiser Wilhelm II, und der zunehmend stärker gewordene Antisemitismus und Antikommunismus. Die Naziideologie hat dies alles »nur« aufgegriffen, ausgebaut und dann mit der Führerideologie abgerundet und in wenigen Jahren zum beispiellosen Resultat gebracht. .

Wer irgendwann nach 1945 einmal gemeint haben mag, es genüge, das Hakenkreuz wegzulassen und die braune Farbe der Nazis mit Schwarz oder ähnlichen Farben zu übertünchen, erlag nicht nur seinem Irrtum, sondern tat sich selbst etwas Schlimmes an.

Bekanntlich wurde in den Westzonen, unter maßgeblicher Rolle Adenauers und mit Unterstützung der westlichen Alliierten, besonders der USA, keine konsequente, an die Wurzeln gehende Überwindung des deutschen Faschismus angestrebt, obwohl das Potsdamer Abkommen, von Truman, Attlee und Stalin unterschrieben und von Frankreich später ausdrücklich gebilligt, eine Ausrottung des deutschen Faschismus im Gefolge seiner militärischen Niederschlagung vorschrieb.

Demgegenüber hatten die maßgebenden antifaschistischen Politiker und Parteien in der sowjetischen Besatzungszone mit Unterstützung ihrer Besatzungsmacht dem deutschen Faschismus hier buchstäblich den Garaus gemacht, vor allem seinem ökonomischen, historischen und politischen Grundlagen, durch Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher und durch die Bodenreform mit der ökonomischen Ausschaltung des den preußischen Militarismus tragenden preußischen Junkertums.

Hier und später in der DDR wurde dem Faschismus kein Raum gelassen, gab es keine Wiedergeburt des deutschen Nationalismus und Militarismus. Die DDR war – wie heute 20 Jahre nach ihrer Beseitigung noch viel deutlicher wird – der deutsche Friedensstaat.

Dass die Nazipartei, gerade nach ihrem »Putsch im Bürgerbräu« in München recht bald eine ansehnliche Dimensionen erlangen konnte, war nicht nur dem Anknüpfen an bekanntes nationalistisches, militaristisches, antisemitisches und antikommunistisches Denken geschuldet sondern zunehmend der massiven, auch finanziellen Unterstützung durch das deutsche Kapital, durch die Rüstungsindustrie und andere der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung dienstbaren Kapitalisten.

Deshalb ist es überaus wertvoll, dass durch ein Reprint des genannten Buches Lesern, die heute nach dem »Warum« fragen, handfestes, quellengestütztes beweiskräftiges Material in die Hand gegeben wird. In den letzten Wochen berichteten die Medien immer wieder über »rechten Terror«, über Mordtaten, die bereits vor zwölf Jahren begannen.

Die maßgeblich verantwortlichen bundesdeutschen Politiker jammern darüber, vergießen »Krokodilstränen« und beklagen Aufklärungsdefizite in ihren Landesbehörden. Sie verschweigen aber absichtsvoll, was sie und ihre Vorgängerin über sechs Jahrzehnten zur Aufrechterhaltung jener Kräfte getan haben, denen jetzt »rechter Terror« vorgeworfen wird. Auffallend ist auch, dass ein Zusammenhang zur jahrzehntelangen Duldung, ja Förderung der NPD nicht gesehen wird.

Da sie – absichtsvoll – nicht nach den Ursachen des »rechten Terrors« in der BRD fragen, bekunden sie damit (absichtlich oder ungewollt), dass sie -diese nicht antasten wollen. Mehr noch: sie nehmen die vorgenannten Vorkommnisse und unbestreitbar gewordene Ermittlungspannen zum Anlass, zum Vorwand, das bundesdeutsche Sicherheitssystem mit seinem Sicherheitsapparat auf Kosten der Rechte der Bürger auszubauen, ohne vorrangig gegen »Rechts« vorzugehen. Sie beeilen sich, Strukturen zu schaffen, die an die Zentralisierung des antikommunistischen und antijüdischen Naziterrors erinnern – wie das Reichssicherheitshauptamt.

Gossweilers Buch hilft dem interessierten und politisch wachen Leserin, hinter die Zusammenhänge und Hintergründe einer gefährlichen Politik zu schauen.