Da leben sie aber noch

geschrieben von Kuno Füssel

5. September 2013

Ein kirchlicher Antisemit sorgt für Schlagzeilen

März-April 2009

Kuno Füssel ist katholischer Theologe. Als Anhänger der Befreiungstheologie blieb ihme eine innerkirchliche Karriere verwehrt. Er gehört dem wissenschaftlichen Beirat von attac an.

Die Rücknahme des Kirchenausschlusses von vier Bischöfen der traditionalistischen, besser gesagt zutiefst reaktionären »Priesterbruderschaft St. Pius X.« durch Papst Benedikt XVI. hat zu einer heftigen Debatte innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche geführt. Die Mehrheit des Kirchenvolkes und auch viele Bischöfe sind regelrecht entsetzt.

Die Kritik an der Entscheidung des Vatikans und insbesondere am Papst ist deswegen so heftig, weil sich unter den vier wieder aufgenommenen Bischöfen auch der Brite Richard Williamson befindet, der in einem Interview für das schwedische Fernsehen im November 2008 starrsinnig und unbelehrbar die Ermordung der Juden in den Gaskammern der Konzentrationslager und damit den Holocaust geleugnet hatte. Williamson hat sich zwar am 30. Januar gegenüber dem Papst für seine »unbedachten Außerungen« entschuldigt, seine ungeheuerliche Leugnung des Holocaust aber immer noch nicht widerrufen. Mittlerweile wurde er aus Argentinien ausgewiesen, wo er in der Nähe von Buenos Aires residiert hatte. Offenbar möchte Präsidentin Kirchner dem schlechten Ruf Argentiniens, ein Zufluchtsort für alte Faschisten zu sein, entgegen wirken.

Das Kirchenvolk ist auch deswegen empört, weil der Papst, der nichts unterlässt, um die Theologen der Befreiung auszuspionieren und zu verurteilen, und auch die päpstliche Kommission, die eigens für den Kontakt mit den Dissidenten 1988 gegründet worden war, von all dem nichts gewusst haben will. Der Papst bemühte sich zwar sofort um Schadensbegrenzung, indem er betonte, dass die Leugnung des Holocaust ein Verbrechen gegen Gott und die Menschen darstelle und nicht die Duldung der Kirche habe. Doch der Imageschaden, den der deutsche Papst nicht nur sich, sondern der ganzen katholischen Kirche zugefügt hat, dürfte so schnell nicht mehr zu reparieren sein. Nun warten wir alle geduldig auf die Überschrift in der Bild-Zeitung: »Wir sind jetzt nicht mehr Papst«.

Auffallend ist nicht nur für die besonders beleidigten Juden, sondern für alle Menschen guten Willens, wie eng hier die Verschränkung von reaktionärer Haltung in kirchlichen Angelegenheiten mit einer abschätzigen Bewertung des Judentums bis hin zu offen antisemitischen Tendenzen ist. Das ist kein Zufall, sondern hat leider Tradition.

Es soll hier nur daran erinnert werden, dass die katholische Hierarchie und der Vatikan sich immer leichter taten mit faschistischen Diktatoren, wie Franco, Hitler und Pinochet, als mit Volksfrontregierungen oder sozialistischen Staaten. Sollte die-se ominöse Bruderschaft sich mit scheinheiligen Entschuldigungen einen Platz in der katholischen Kirche zurückerobern, dann werden wir noch viel Ärger mit diesem trojanischen Pferd haben.

»Hier im Innern des Landes da leben sie noch« hatte schon 1968 Franz Josef Degenhart über ältere und jüngere Faschisten gesungen. Wie Recht er doch leider hatte.