„Das Leben der Anderen“

geschrieben von Victor Grossman

5. September 2013

Von realem Fall in den USA inspiriert?

Sept.-Okt. 2006

Nach den vielen Preisen musste ich ja „Das Leben der Anderen“ anschauen. Ich fand ihn gut geschrieben, gut gespielt, clever ausgedacht. Doch die Szene mit der Schreibmaschine hatte ich schon irgendwo gesehen. Und, in der Tat, es ging schon einmal in einem berühmten Prozess um eine gewisse Schreibmaschine: War sie das Tatgerät? Genau wie in diesem Film baute ein Experte eine Staffelei auf, zeigte mit dem Stock auf die riesig vergrößerte Schrift, erklärte die feinen Details, die beweisen sollten: Sie war es! Anders als im Film jedoch half damals kein Barmherziger; die Schreibmaschine verschwand nicht. So wurde ein Mann schuldig gesprochen und ging für fünf Jahre ins Gefängnis.

Das ist tatsächlich geschehen, doch nicht in der DDR, sondern in meiner Heimat, den USA. Auch nach seiner Gefängnisstrafe blieb Alger Hiss bis zu seinem Lebensende dabei, er sei weder Lügner noch Sowjetspion gewesen, doch sein Prozess hatte die notorische McCarthy-Ära zur ersten vollen Blüte gebracht. Das war sogar noch vor McCarthy; mit dem jungen Abgeordneten Nixon, der am schärfsten agierte. Er nutzte die Affäre, um seine Karriere zu bauen: Senator, Vizepräsident, dann Präsident. War Hiss völlig unschuldig? Die Frage bleibt offen, wie auch die Frage, ob wir es hier mit einer Art Plagiat des Filmautors zu tun haben.

Leider wurden die Methoden, die der Film angreift, keinesfalls aus der Luft gegriffen. Aber eine Ausnahme waren sie leider nicht. Auch über mich wurden in den USA vom FBI und ähnlichen Institutionen seit meiner linken Studentenzeit 1100 Seiten (ja, elfhundert) erschnüffelt, auch als ich längst in der DDR lebte. Vor einigen Jahren erhielt ich sie, vielfach geschwärzt, doch mit manchen meiner privatesten Bemerkungen. Wieviel mehr wurde über Brecht, Hemingway, Thomas Mann und Klaus Mann (auch über deren Rendezvous) ausspioniert? Eine Menge ist heute bekannt.

Neueste Berichte deuten darauf hin, dass auch der BND fleißig beobachtet. Was lehrt uns das? Erstens: „cosi fan tutti“ – so machen es alle! Und zweitens: jene leider einseitigen Angriffe, von Herrn Henckel von Donnersmark bis hin zu Herrn Knabe, dienen einem offensichtlichen Zweck: das Gute, was die DDR erreichte, Asien, Amerika, all das mit den Schrecken der „Stasi“ zu verdecken. „Nachtigall, ick hör dir trapsen!“