Das Reichsbanner

geschrieben von Gerhard Fischer

5. September 2013

Eine DVD informiert und blendet einiges aus

März-April 2007

Als »Schutz- und Wehrorganisation« für die Weimarer Republik verstand sich das »Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold«. Im Februar 1924, also unmittelbar nach dem Ende der revolutionären Nachkriegskrise, wurde es gegründet. Hinter ihm standen die »Weimarer Verfassungsparteien«: die deutsche Sozialdemokratie, das Zentrum und die Deutsche Demokratische Partei. Sein verkündeter Zweck war »Aufklärung und Werbung für den republikanischen Gedanken«. Sie hatte der Weimarer Staat dringend nötig: Die noch der Monarchie nachtrauernde Reaktion stand ihm feindselig gegenüber; die faschistische »Bewegung« schwoll an. In Arbeiterkreisen wiederum, auch in sozialdemokratisch orientierten, kursierte der Vers: »Die Republik, das ist nicht viel – der Sozialismus ist das Ziel!«

Die Hauptgefahr für den Bestand der Weimarer Demokratie ging bekanntlich von Hitler, seinen Auftraggebern und seinem Anhang aus; sie waren es schließlich auch, die ihr das Ende bereiteten. Das Reichsbanner allerdings kämpfte zeit seiner Existenz mit seinen drei Millionen Mitgliedern gegen »rechts« und »links« – gegen »Nationalisten und Kommunisten«, wie es im Sprechertext der Doku-DVD »Demokratie braucht Demokraten« von Werner Müller heißt. Sie wurde initiert vom »Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold – Bund aktiver Demokraten e.V.«, der die Überlieferung jener Organisation bewahren will, und herausgegeben vom Zentralverband Demokratischer Widerstandskämpfer und Verfolgtenorganisationen, dessen Vorsitzende, Annemarie Renger, während der gut dreiviertelstündigen Laufzeit des Films mehrfach zu Wort kommt.

Der bezieht seine Wirkung in der Hauptsache aus der Art, wie er Vergangenheit und Gegenwart miteinander kombiniert und ineinander verschränkt. Zum einen lebt er von einer Fülle zeitgenössischer Foto- und Filmaufnahmen vorwiegend aus den Jahren bis 1933, die damalige geschichtliche Vorgänge vermitteln und echtes Zeitkolorit aufweisen, sowie von Augenzeugenberichten noch lebender Mitkämpfer des Reichsbanners. Spürbar wird einiges von der ökonomischen und sozialen Entwicklung zu Weimarer Zeiten, von der die Nazis begünstigt wurden. Faktisch ausgeblendet werden Faktoren wie etwa die Rolle des Finanzkapitals bei deren Förderung.

Zum anderen bemüht sich die DVD, die Gefahr des Neonazismus in unseren Tagen zu veranschaulichen und vor allem die Weitergabe historischer Kenntnisse und Erkenntnisse an die Nachgeborenen zu vergegenwärtigen. Der Dokumentarist begleitet beispielsweise Schüler bei Fahrten durch Berlin zur Gedenkstätte Deutscher Widerstand und zur Gedenkstätte der Wannsee-Konferenz, bei Begegnungen mit Zeitzeugen und bei Diskussionen mit maßgeblichen Politikern von SPD und CDU. So wird gezeigt, wie jungen Menschen heute Wissen über Früheres nahegebracht wird und wie sie sich damit auseinandersetzen.

Unterbelichtet bleibt die Aktivität linksbürgerlicher Kräfte im Reichsbanner. Insgesamt verlässt der Film nicht die Grenzen, die er durch eine Aufnahme von einer Demonstration aus der Zeit des nahenden Endes der Weimarer Republik mit der Lösung wiedergibt: »Gegen Papen, Hitler, Thälmann!« Das war ein Motto der »Eisernen Front«, zu der sich im Dezember 1931 SPD und Gewerkschaften mit dem Reichsbanner und sozialdemokratisch geführten Arbeitersportverbänden zusammenfanden und die nicht gerade einem gemeinsamen Kampf der Hitlergegner gegen den drohenden Machtantritt der Nazis diente. Die Hinweise der DVD auf den Widerstand gegen den Faschismus an der Macht konzentrieren sich auf Sozialdemokraten, den 20. Juli 1944 und die Geschwister Scholl.