Der aufrechte Gang

geschrieben von Ernst Antoni

5. September 2013

Zur Ausstellung »Guido Zingerl. Regensburger Welttheater«

Jan.-Feb. 2009

Die Ausstellung »Guido Zingerl. Regensburger Welttheater« ist noch bis zum 1. März 2009 in Städtischen Galerie »Leerer Beutel«, Regensburg, Bertoldstr. 9 zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag mit Sonntag, 10 bis 16 Uhr. Am Dienstag, 24. 2. 2009 (Faschingsdienstag) ist die Galerie geschlossen.

Das zur Ausstellung erschienene Begleitbuch »Guido Zingerl. Regensburger Welttheater«, (126 S., zahlreiche vierfarbige und sw-Abbildungen) ist für 19,50 Euro + Versandkosten zu erhalten über »Museen der Stadt Regensburg«, Postfach 11 06 43, 93019 Regensburg, e-mail: museen_der_stadt@regensburg.de

Deutsche Gartenzwerg-Michel wie das treuherzig dreinschauende Wesen mit der sauberen Schürze und dem tropfenden Beil gibt es im Karikaturenwerk des Künstlers Guido Zingerl öfter. Auf einer Zeichnung für eine Postkartenserie der VVN-BdA aus den 90er-Jahren sitzt so einer (da ohne Zipfelmütze) im Fernsehsessel. Am Bildschirm ein Jet mit Balkenkreuz-Flügeln beim Bombenabwurf. Begeisterter WM-Jubel vom Zuschauer-Michel: »Deutschland, Deutschland«.

Als Bildsatiriker ist Zingerl ein Meister der Eindeutigkeit. »Geschmacklos« und »Klischees« lauteten nicht selten Reaktionen auf seine Zeichnungen – die moderateren. Vor Jahrzehnten schon hat Zingerl solche Kritik an (nicht nur) seiner Kunst mit einer heute wieder recht aktuellen Karikatur bedacht: Der Künstler steht neben seiner Staffelei, davor ein Banker mit Melone auf dem Kopf, Vampirzahn und Geldsack. Das Bild auf der Staffelei zeigt das Konterfei eines Bankers mit Melone, Vampirzahn, Geldsack. »Die Ähnlichkeit«, sagt der Banker zum Künstler, »war bei den Abstrakten doch besser!«

Bildsatiren, Karikaturen, Comics: Auch davon ist ein bisschen zu sehen in der großen Werkschau von Bildern Guido Zingerls, die seit November 2008 in Regensburg im historischen Gebäude »Leerer Beutel« gezeigt wird. In erster Linie aber sind es die in knapp fünf Jahrzehnten entstandenen Einzelgemälde und Bilderzyklen des heute im oberbayerischen Fürstenfeldbruck lebenden Malers und Grafikers, die unter dem Titel »Regensburger Welttheater« versammelt wurden.

Es gibt mancherlei Komisches, Satirisches, dominierend aber ist in den sehr oft quadratischen Bildformaten mit den leuchtenden Acrylfarben (mit viel Schwarz dazwischen) eine Sicht, die uns hineinzieht in ein doch recht Furcht erregendes Gewimmel und Gewirr von menschlichen Figuren, technischen Gerätschaften, Verdrahtungen und Schlauchverbindungen. Nach wie vor meist gut zu erkennen, aber gar nicht mehr zum Lachen sind die Strippenzieher und die anderen, die an und in den Drähten hängen. Fließende Übergänge und Funktionswechsel inbegriffen.

Das Bild »Der aufrechte Gang« (entstanden 1982, siehe die Titelseite dieser antifa), steht als bedeutsame Station im Werk des Künstlers für die von ihm bis heute immer wieder aufgenommene bildnerische Auseinandersetzung mit unserer jüngeren Geschichte, mit Faschismus, Verfolgung und Widerstand, Tätern und Opfern. Ein heroisches Bild ohne Siegerpose, ein Held, der sich noch im Tode hinaushebt über die Mörder und die Vollstrecker und über deren Befehlsgeber im Bildhintergrund.

Zu den Gemälden und Zeichnungen, die Zingerl diesem Thema widmete und widmet und deren viele in der aktuellen Ausstellung zu sehen sind, gehören die Hommage aus dem Jahr 2006 für den jüdischen Schriftsteller und NS-Verfolgten Edgar Hilsenrath (dem Verfasser der Romane »Nacht« und »Der Nazi und der Frisör«), viele »heimatgeschichtliche« Allegorien und nicht wenige der literarischen Interpretationen, Adaptionen und Illustrationen des Künstlers. Auch »Auftragswerke« gehören dazu, die in der Ausstellung nicht zu sehen sind. Für die VVN-BdA etwa Porträt-Würdigungen antifaschistisch Widerständiger wie Centa Herker-Beimler oder Alfred Hausser zu damaligen »runden« Geburtstagen.

Das Zingerl’sche »Welttheater« hat in Regensburg, der Geburtsstadt des Künstlers, einst seinen Ausgang genommen. Der Direktor der Museen der Stadt, Martin Angerer, nennt ihn im Begleitbuch einen »wunderbaren Unangepassten«. Vorne im Buch steht auch das bei der Ausstellungseröffnung von Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU) gehaltene Grußwort: »Ganz wenigen ist es gelungen, aus der ehemaligen Reichsstadt wegzugehen und doch stets präsent zu bleiben. Einer dieser ganz wenigen ist der Künstler Guido Zingerl, der vor 75 Jahren als Heinrich Scholz in Regensburg geboren wurde. (…) Ohne ihn wäre die Regensburger Kultur um manches ärmer.«

Ausstellungsplakat und Titelbild des Begleitbuches: das Bild »Die Überfahrt II«. Ein Boot im Wirbel des berühmten Regensburger Donaustrudels. Am Ruder der Tod; an Bord bunt gemischtes Volk. Ein Bischof scheint »Huch« zu sagen, der Militär hat vorsorglich die Gasmaske auf, ein Typ mit Melone und ein paar andere haben noch einen Mordsspaß. Auf dem Liebespaar, das in sich selbst versunken scheint, liegt schon ein enthäuteter Leichnam, unter den noch Fröhlichen auf dem Kahn sind andere »begraben«: KZler im gestreiften Gewand, viele Schädel und Gebeine. Eine nicht gerade optimistische Fortsetzung der von der Stadt einst angekauften und für die Ausstellung endlich wieder einmal aus dem Depot befreiten umfangreichen Jahrhunderte übergreifenden Bilderchronik »Aufzeichnungen eines Donauschülers« (1986/87) von Guido Zingerl.