Der fehlende Konsens

geschrieben von Reinhard Schramm

5. September 2013

Eine jüdische Stimme zum NPD-Verbotsverfahren

Mai-Juni 2013

Der Autor ist Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen

Die Bundesregierung stellt keinen Antrag für ein NPD-Verbotsverfahren. Der Bundesrat stellt einen Antrag. Der Bundestag hat sich ebenfalls dagegen entschieden. Die NPD und die Sympathisanten des Rechtsextremismus sind zufrieden. Die Zerstrittenheit der Demokraten erkennen sie als Schwäche der Demokraten. Diese Schwäche garantiert ihnen Zeit und Steuermittel, um rechtsextremistische Demonstrationen, Konzerte und anderes zu organisieren. Insbesondere jugendliche Rechtsextremisten schöpfen Kraft aus ihren Demonstrationen und Konzerten; sie gewinnen an innerer Stärke. Unsere Schwäche ist ihre Stärke. Ein Verbot der NPD würde ihre Stärkung behindern. Nicht nur die Verurteilung der rechtsextremistischen Ideologie sollte Konsens unter Demokraten sein, sondern auch der Weg zum NPD-Verbot über die Einleitung des Verbotsverfahrens.

Was bedeuten die FDP-Argumente gegen ein Verbotsverfahren wie »Dummheit kann man nicht verbieten.« oder »Ein Verbot trifft nur die Hülle, nicht das Denken.« oder »Wer extremistische Ränder bekämpfen will, muss zuallererst die Mitte stärken«?

Sie bedeuten, die FDP ist unabhängig von Problemen eines Verbotsverfahrensantrags gegen ein NPD-Verbot. Sie ignorieren, dass mit einem Verbot eine Schwächung des Rechtsextremismus erreicht wird, die parallel zur Schwächung über eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus notwendig ist.

Jene, die für ein NPD-Verbotsverfahren kämpfen, engagieren sich auch in der Wissensvermittlung. Sie wissen aus ihrem eigenen Engagement gegen Rechts, dass Unwissen vor allem unter Jugendlichen und die Gleichgültigkeit in der Mitte der Gesellschaft die wesentlichen Ursachen für einen Vormarsch des Rechtsextremismus sind. NPD-Verbot und inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ergänzen sich gegenseitig. Das sollte Konsens unter allen Demokraten sein. Ich bin überzeugt: Die FDP und manch andere Demokraten irren sich. Ich sehe hinter ihrem Verhalten nicht nur eine falsche, sondern auch eine gefährliche Entscheidung.