Der Schweiger

geschrieben von Thomas Willms

5. September 2013

SPD-Innenminister stellten Anti-NPD-Broschüre vor

Juli-Aug. 2009

Verfassungsfeind NPD. Dokumente eines Kampfes gegen die Demokratie

Herausgeber: Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt, Halberstädter Str. 2, 39112 Magdeburg, Tel.: 0391-567-5504, Fax: 0391-567-5519

Entstanden unter Beteiligung der Innenressorts der Länder Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein

Auch zum Download unter www.mi.sachsen-anhalt.de

Was bedeutet es, wenn von fünf Personen auf einem Podium vier das Wort ergreifen und einer konsequent schweigt? Diese Frage drängte sich am 29. April den Teilnehmern einer nicht alltäglichen Pressekonferenz in der Vertretung des Landes Sachsen-Anhalts in Berlin auf. Auf dem Podium gleich drei Landesinnenminister: in der Mitte der amtierende Vorsitzende der Innenministerkonferenz Mäurer aus Bremen, rechts und links von ihm Körting aus Berlin und Hövelmann aus Sachsen-Anhalt. Außen auf der einen Seite der Pressesprecher des Landes Sachsen-Anhalt und auf der anderen ein Abteilungsleiter der Verfassungsschutz-Behörde aus Rheinland-Pfalz. Letzterer war der große Schweiger, obwohl es bei der Veranstaltung um ein Thema ging, das genau in seine Zuständigkeit fällt: die Bedrohung der Demokratie durch den Rechtsextremismus.

Vorgestellt wurde auf der Pressekonferenz die Broschüre »Verfassungsfeind NPD. Dokumente eines Kampfes gegen die Demokratie«, herausgegeben vom MdI Sachsen-Anhalt, laut Impressum verantwortet vom Pressesprecher dieses Ministeriums, also dem Mann am entgegengesetzten Ende des Tisches. Der Satz: »…erarbeitet von den Landesämtern des Verfassungsschutzes« fehlte im Impressum. Denn tatsächlich waren es nicht die eigentlich zuständigen Behörden, die jene umfangreiche Sammlung haarsträubender Aussagen und Dokumente von NPD-Funktionären zusammengestellt hatten, die unmissverständlich belegen, was der Welt blüht, sollten NPDler jemals in die Nähe der Macht kommen.

Die Gründe für dieses mangelnde Engagement liegen auf der Hand. Die Broschüre stößt durch die Art ihres Zustandekommens direkt in das Herz der NPD-Verbots-Problematik. Sie sei nämlich ohne Beiträge von »V-Leuten« zustande gekommen, so die Innenminister. Auch wenn gerade Körting nicht müde wurde zu betonen, sie sei ein Produkt zur reinen Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, ist die Stoßrichtung angesichts seiner eigenen Haltung deutlich. Sie beweist nämlich, dass man V-Leute nicht braucht, um die Verfassungsfeindlichkeit der NPD zu belegen. Damit steht sie den organisationsinternen Eigeninteressen der VS-Behörden – ohne V-Leute keine Agentenführer und kein Bedarf an Geheimnistuerei – entgegen.

Die Broschüre stellt außerdem den Innenbehörden derjenigen Bundesländer ein schlechtes Zeugnis aus, die trotz entsprechender Absprachen kein neues Material beigebracht haben, mit denen ein erneutes Verbotsverfahren vorbereitet werden kann. Dass die fünf herausgebenden Innenressorts allesamt von Sozialdemokraten geleitet werden, wirft natürlich die Frage auf, ob es sich hier nicht nur um einen Wahlkampfgag handelt. Dies wurde allerdings bestritten und erscheint durchaus glaubwürdig, da Körting und Hövelmann sich seit Jahren intensiv mit der Verbotsfrage auseinandersetzen.

Unabhängig von den Einblicken in die Niederungen deutscher Kleinstaaterei und Behördenkonkurrenz ist die Broschüre ausgesprochen wertvoll. Auf 90 Seiten bringt sie Zitate von NPD-Funktionären zu allen Themenfeldern, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Dass die Kenntnis dieser Quellen etwas bringt, wurde am Bremer Innensenator deutlich. Der ist nämlich vor kurzem auf die Körting-Hövelmann-Linie eingeschwenkt. Die Broschüre seines Ressorts hatte er erst auf der Fahrt zur Pressekonferenz gelesen. Noch sichtlich erschüttert sagte er: »Wir brauchen keine V-Leute.«