Deutschlandpakt vor dem Aus?

geschrieben von Markus Bernhardt

5. September 2013

Absprachen über Wahlantritte von Naziparteien umstritten

März-April 2008

Die NPD in Mecklenburg-Vorpommern tritt bei den bevorstehenden Landratswahlen in zwei Kreisen an. NPD-Landesvorsitzender Stefan Köster kandidiert in Ludwigslust. In Ostvorpommern, wo die NPD traditionell viele Stimmen erhält, kandidiert der Anwalt Michael Andrejewski. Eines seiner Wahlkampfthemen werde der Widerstand gegen das Kohlekraftwerk Lubmin sein, so Andrejewski.

Bereits seit 2005 haben die Neofaschisten aus den Reihen der NPD, der DVU und der „Freien Kameradschaften“ ihre strategische Zusammenarbeit im Rahmen des so genannten Deutschlandpaktes geregelt. Um Konkurrenzkandidaturen zu vermeiden, wurde festgeschrieben, welche der genannten Parteien mit jeweiliger Unterstützung der militanten „Kameradschaften“ zu welcher Wahl antritt.

Während die neofaschistische NPD in manchen Teilen Deutschlands immer erfolgreicher agiert und ihre Anhängerschaft tatsächlich zunehmend aus „der Mitte des Volkes“ rekrutiert, ist und bleibt die DVU – selbst in den Augen vieler Neofaschisten – eine von ihrem Vorsitzenden Gerhard Frey aus München ferngesteuerte Partei. So verwundert kaum, dass maßgeblich die „Freien Kameradschaften“, die noch nie ein gutes Verhältnis zur biederen DVU hatten, die Effektivität des „Deutschlandpaktes“ infrage stellen. Sie fordern bei den Landtagswahlen 2009 einen Wahlantritt der NPD und nicht, wie im „Deutschlandpakt“ ursprünglich geregelt, eine Kandidatur der DVU.

Zwar üben sich die Parteivorstände aus NPD und DVU derzeit noch in gegenseitiger Loyalität, fraglich dürfte jedoch sein, ob diese Befriedungsstrategie noch von langer Dauer sein wird Es darf nicht vergessen werden, dass das Kräfteverhältnis der beiden Parteien beim Abschluss des „Deutschlandpaktes“ noch ein anderes war. Mittlerweile sitzt die NPD in Fraktionsgröße im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und auch die sächsische NPD-Fraktion hat sich nach einer Reihe interner Querelen und Skandale wieder gefestigt. Demgegenüber befindet sich die DVU weiterhin auf dem Weg in die politische Bedeutungslosigkeit. Zwar sitzen Frey’s braune Mannen noch in Fraktionsstärke im Landtag von Brandenburg, aktuellen Umfragen zufolge könnte die DVU dort jedoch nur noch rund ein Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen.

Indes: Der Erfolg der NPD und auch die zunehmende Verankerung der Partei in vielen Kommunen kommt nicht von irgendwoher! Mit der Besetzung ursprünglicher linker Themen, beispielhaft seien hier die soziale Frage und der Komplex Krieg und Frieden genannt, ist es der NPD gelungen, einen politischen Überbau zu schaffen, der mit Frieden- und Kinderfesten, Hausaufgabenhilfen, Anti-Hartz-IV-Beratungen usw. unterfüttert wird.

Antifaschistinnen und Antifaschisten sollten sich daher nicht in falscher Sicherheit wiegen, wenn der „Deutschlandpakt“ in naher Zukunft – zum Beispiel noch vor den Landtagswahlen 2009 in Thüringen – platzt. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass die Wähler durchaus wissen, welcher Gesinnung und welchem Schlag Mensch sie ihre Stimme geben, wenn sie die NPD wählen. Die Wähler der Neofaschisten immer wieder mit dem Label „Protestwähler“ zu behaften, verschleiert zudem die tatsächliche Situation in diesem Lande.

Wirksam können die neonazistischen Hassprediger indes nur bekämpft werden, wenn sich die politische Linke wieder auf ihre Grundthemen besinnt und sich fernab der nicht selten verbreiteten linken Arroganz wieder den Themen widmet, die der breiten Masse der Menschen auf den Nägeln brennt. Dabei geht es übrigens keinesfalls darum, marginalisierten Gruppen die Solidarität aufzukündigen. Vielmehr sollte der Kampf für die Rechte von Flüchtlingen, Schwulen, Lesben und anderen eingebettet sein in eine entschlossen linke Politik, die sich konkret und glaubwürdig um die sozialen Rechte der Menschen kümmert. Denn: Wer nicht genug Geld für ein menschenwürdiges Leben hat , leidet zunächst einmal darunter und erst weit danach unter Einschränkungen seiner anderen Rechte. Mittlerweile mehren sich die Diskussionen darüber, ob antifaschistische Politik nicht stärker an den Grundlagen der Gesellschaft ansetzten muss. Eine Strategiediskussion aller Antifaschisten ist diesbezüglich unabdingbar und bereits seit langem politisch überlebensnotwendig.