»Die Gerufenen«

geschrieben von Heinrich Fink

5. September 2013

Eine neue Geschichtsumdeutung aus dem Hause Steinbach

Sept.-Okt. 2009

»Die Gerufenen«: Deutsches Leben in Mittel- und Osteuropa. Eine Ausstellung der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen. Vorsitzende Erika Steinbach. Grußwort im Katalog: Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin, Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien

Die Stiftung »Zentrum gegen Vertreibungen« hat im Berliner Kronprinzenpalais Unter den Linden vom 16. Juli bis 30. August eine Ausstellung zum »Deutschen Leben in Mittel und Osteuropa« unter dem freundlichen Titel: »Die Gerufenen« präsentiert. Ihre sympathische Farbgebung und die übersichtliche Gliederung erleichterten den Besuchern das Lesen der ausführlichen Texte. Fotos gaben Einblick in den bäuerlichen oder handwerklichen Alltag in neun ausgewählten Regionen: Böhmen-Mähren, Baltikum, Westkarpaten, Siebenbürgen, dem Donauraum, Lodz-Wohlynien-Litauen, Galizien-Bukowina, der Region Schwarzmeer-Besarabien und dem Wolgagebiet.

Im Katalog hieß es, die Ausstellung wolle ein leidiges Vorurteil ausräumen, denn »nicht wenige Menschen in Deutschland glauben, dass die hier lebenden Vertriebenen mit Feuer und Schwert oder Hitlers Panzern ihre Heimat gewaltsam erobert hätten.« Aber die Deutschen wurden gerufen, angeworben, ja angelockt mit mancherlei Vergünstigungen. Es werde auch nicht erklärt, dass jene Deutschen, die damals wie Bettler ihre Heimat verließen, die oft turbulenten politischen Situationen in ihren neuen Heimatländern, in denen sie nun privilegiert durch königliche Schutzbriefe lebten, gar nicht durchschauen konnten. Sie mussten hart arbeiten, sie haben Dörfer gegründet und künstlerische Fähigkeiten eingebracht. Aber auch in Eisenbahn-, Berg- und Städtebau waren sie firm. In mir weckte das schon die Frage, ob nicht doch am deutschen Wesen die östliche Region genesen sollte.

Der Ausstellung lag eine eigenwillige Chronologie zugrunde. Während zum Beispiel deutsche Kreuzritter als friedliche Gründer für die Zeit von 1202 im Baltikum genannt wurden, hieß es, dass nach 1242 durch den »Mongoleneinfall« auch deutsche Siedlungen in Ungarn/Siebenbürgen zerstört worden sind. Das letzte in der Chronologie benannte Datum heißt »Beginn des Ersten Weltkrieges«, wird allerdings nicht dokumentiert. Wer A verschweigt, muss auch B nicht sagen! Waffen waren immer dabei im augenscheinlich so friedlichen Spiel: Die Mönchsritter begannen keineswegs friedlich, die heidnischen Pruzzen/Preußen zu bekehren. Im Brockhaus heißt das dazugehörige Stichwort »Zwangschristianisierung«. Und weil die bewaffneten Ordensleute ihren eroberten Ordensstaat auch betreiben wollten, siedelten sie deutsche Landarbeiter und Gutsherren als zuverlässige christliche Bewohner an. Verständlich, dass 1260 die Pruzzen einen Aufstand wagten. Laut Brockhaus wurde das Land erst 1283 nach dem unseligen Muster der Kreuzzüge endgültig unterwofen. Wie aber haben sich die nun längst ansässigen Deutschen verhalten, als der westliche Teil des Ordensstaates an die polnische Krone fiel und sich nach 1525 im verbliebenen Staat die Reformation durchsetzte?

1224 hatte König Andreas II. von Ungarn in den Wirren der Adelsaufstände Deutsche mittels »Goldenem Freibrief« zum Schutz des Königs gerufen und sie auf »Königsboden« angesiedelt. Konnten die Siebenbürger das politische Ränkespiel durchschauen? Solche Fragen stellt die Ausstellung nicht.

Zu dieser scheinbar unpolitischen Präsentation der emsigen, dankbaren, deutschen Immigranten, die während 800 Jahren in Richtung Osten zogen, passt das Crescendo der beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert nicht. Der Deutsche »Generalplan Ost« hatte im 2. Weltkrieg neben der Ausrottung der Juden und der Sinti und Roma auch die Vernichtung der »Slawen als minderwertige Rasse« zum Ziel. Haben die seit Jahrhunderten ansässigen Deutschen ihre jüdischen und slawischen Landsleute verteidigt? Oder haben nicht auch sie sich dem Hitler-Taumel hingegeben?

Dafür, dass es in den so eindrücklich dokumentierten deutschen Siedlungsgebieten (außerhalb des 1871 gegründeten Deutschen Reiches) heute »kein deutsches Leben mehr gibt«, findet Frau Steinbach folgende Erklärung: »…die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts mit dem Zerfall der Vielvölkerrreiche, Nationalsozialismus und Stalinismus hatten daran ihren Anteil.«

Meine Reaktion auf die Ausstellung: Geschichtsumdeutung vom Feinsten!