Dresdens Untergang 1945

geschrieben von Kurt Pätzold

5. September 2013

Von Kurt Pätzold

Jan.-Feb. 2010

Dresden, 13. Februar 1945. Der Name der Stadt und das Datum bezeichnen eine der großen Tragödien des Zweiten Weltkrieges. Eine von Tausenden und Zehntausenden. Eine der ungezählten jenes Krieges, den die deutschen Imperialisten am 1. September 1939 begonnen hatten.

Die Zahl der im Bombenhagel dreier Luftangriffe in der Elbestadt umgekommenen Menschen konnte nur geschätzt werden. Sie wird heute auf 25.000 bis 40.000 eingegrenzt und entspricht etwa der Zahl der Opfer jener Kette von Angriffen, die 1943 Hamburg zertrümmerte. Dieses Ungefähr hat auch die vor einigen Jahren in Dresden berufene Kommission von Experten nicht zu beseitigen vermocht, die immer wieder zu Betrugszwecken zusammenspekulierten Angaben entgegenwirken sollte. Von manchen Opfern blieben nur unkenntliche Überreste.

65 Jahre nach Hitler suchen in Deutschland vor allem Rechte das Geschichtsfeld Dresden zu besetzen und aus einer grausigen Erinnerung politisches Kapital zu schlagen. Dreist nennen sie das einen Kampf gegen die Lüge und für die Wahrheit. Als diese stellen sie den Versuch hin, Dresden und Auschwitz zu parallelisieren und gleich zu gewichten. So wollen sie »die Deutschen wieder den aufrechten Gang lehren«. Der Anspruch ist richtig gelesen, wenn hinzugedacht wird: und den anderen ihre Rechnung präsentieren, gerichtet an »Massenmörder«. Denn als »Völkermord« denunzieren sie den Luftangriff auf Dresden.

Die Verbreitung dieser Version besitzt ihre lange Vorgeschichte nicht nur in den Reihen der Nazis und anderer äußerster Kräfte der Rechten, sondern ebenso in der vielberufenen Mitte der Gesellschaft. Zu der dürfte sich das Deutsche Historische Museum zählen, in dessen Abriss »Bombardierung von Dresden« die Signalwörter lauten: »die ungeschützte Stadt, die über keinerlei Luftabwehr verfügte« (als wäre das den Alliierten anzulasten), die »weder über kriegswichtige Verkehrs- noch Industrieanlagen verfügte« (was sich mit einem einzigen Blick auf die zeitgenössische Eisenbahnkarte des Reiches schlicht als unwahr erweist), der Angriff, der »keinerlei militärisches Ziel verfolgte« (als hätte sich nicht nur rund 100 Kilometer entfernt eine schwer umkämpfte Front befunden, zu der die Wehrmacht Nachschub nur aus dem Westen erhalten konnte), und der folglich das »Massaker von Dresden« genannt wird. Daran hat auch eine längst geäußerte Kritik nicht zu änden vermocht. Erhellend ist ein Vergleich dieses Textes mit dem aus vom gleichen Museum verbreiteten über die »Luftschlacht um England«. Bei Erwähnung der Angriffe auf London Anfang September 1940 fehlt jedes Wort der Kritik an der Ausweitung der Bombenabwürfe auf Wohnviertel und Zivilisten, erwähnt wird hingegen, dass so die Moral der Bevölkerung gebrochen werden sollte. Die Zahl der toten deutschen Piloten wird genannt, die der umgebrachten britischen Zivilisten nicht.

Diese Art von Geschichtsunterricht hat mit Begriffen wie Dresden, »die Kunststadt«, »die Barockstadt«, »die Residenzstadt« und die »unschuldige Stadt« weite Verbreitung und Akzeptanz gefunden. Das gilt auch für den Verweis auf die am Angriffstag in der Stadt stationierten Massen von Flüchtlingen, als klage auch diese Tatsache die Besatzungen der Flugzeuge an.

Gleichsam gegen den Strich gelesen ergeben Kritik und Verurteilung eine Liste von Bedingungen, die gegeben sein mussten, damit Dresden zum Ziel eines Bombenangriffs werden durfte. Es hätte von strategischer Bedeutung sein, in der Kriegszone liegen müssen, keine Kunstschätze besitzen, keine Flüchtlinge beherbergen dürfen und die Front der Landtruppen hätte bei Stalingrad oder jedenfalls weit im Osten verlaufen müssen. Hier eine faschistisch geprägte Kriegführung, der kein Kriegsrecht galt und die kein Mittel verwarf, wenn es ihr nur zur Errichtung eines zusammengeraubten Weltreiches tauglich erschien – und dort die schließlich obsiegenden Gegenkräfte, denen mehr als ein halbes Jahrhundert danach erklärt wird, wie sie ihren Kampf hätten führen und beenden sollen: gerüstet und bewaffnet, aber nicht blutbefleckt, wie Pallas Athene in dem Moment erschien, da sie dem Haupte des Zeus entstieg. Welch geschichtsfernes Bild! Und welche Anmaßung zugleich!