Ehre, wem Ehre gebührt?

geschrieben von Christoph Leclaire

5. September 2013

Geschichtspolitische Auseinandersetzung um den »Hindenburgplatz«
in Münster

Nov.-Dez. 2012

Weitere Informationen:

Informationsportal »Ehre, wem Ehre gebührt?!« der Stadt Münster:

www.muenster.de/stadt/strassennamen/

Initiative »Schlossplatz!«:

www.schlossplatz-ms.de

Stellungnahme der VVN/BdA Münster: www.muenster.vvn-bda.de/artikel/2012/20120909.html

Seit dem Bürgerentscheid vom 16.09.2012 ist es amtlich: Der Schlossplatz im westfälischen Münster bleibt Schlossplatz! In einer demokratischen Abstimmung stimmten zwar 38.800 der Einwohner und Einwohnerinnen (40,62 %) für den Antidemokraten Hindenburg, aber die Mehrheit der Münsteraner verhinderte mit 56.716 »Nein«-Stimmen (59,38 %) eine Rückbenennung des Platzes zum Hindenburgplatz.

Straßen sowie Plätze mit Namen von historisch belasteten Personen zur Diskussion zu stellen und umzubenennen, ist eine gesellschaftspolitische Notwendigkeit. Dass das teilweise heftigen Protest auslöst, dafür ist die Auseinandersetzung in Münster ein lehrreiches und zugleich einmaliges Beispiel, da hier ein Ort sogar seinen ehemaligen Namen wieder zurückerhalten sollte.

Erst im März 2012 hatte eine fraktionsübergreifende Mehrheit des Stadtrates beschlossen, den »Hindenburgplatz« in »Schlossplatz« umzubenennen. Überfällig war diese Umbenennung schon lange (bereits am 06.11.1946 durch den NRW-Innenminister angeordnet) und viele vergebliche Versuche hatte es in den vergangenen Jahrzehnten gegeben, die jedoch aufgrund der Mehrheitsverhältnisse und auch aus Angst vor Unmut in der Bevölkerung nicht zu Ende geführt worden waren.

Im Frühjahr 2007 brachten Berichte in der Münsterschen Presse über historisch belastete Straßennamen das Thema wieder in die Diskussion. Eine zur endgültigen Klärung eingesetzte Fachkommission »Straßennamen« mit Vertretern aller Ratsfraktionen sowie zwei renommierten Historikern kam im Juni 2011 zu einem eindeutigen Ergebnis: Acht Personen seien als Namensgeber für Straßen und Plätze nicht mehr tragbar – darunter auch Hindenburg als »Steigbügelhalter Hitlers«. Aufgrund dieser Empfehlung und nach einer umfangreichen öffentlichen Aufklärungskampagne inklusive der Ausstellung »Ehre, wem Ehre gebührt?!“ (sic!) wurde der »Hindenburgplatz« endlich umbenannt und der jahrelange Streit schien beendet.

Doch Gegner der Umbenennung – vor allem konservative CDU-Mitglieder und die JU Münster – formierten sich zu einer Bürgerinitiative »Pro Hindenburg« (- Contra Bilderstürmerei – so der bezeichnende Zusatz bei Facebook), die die Namensänderung mittels eines Bürgerbegehrens rückgängig machen wollte. Das Spektrum der Unterstützer reichte von rechtskonservativen bis rechtsextremen Kräften. So gab es direkten Beistand von der Partei »Pro NRW« und bundesweiten Zuspruch der rechtsradikalen Szene, insbesondere in den Internetforen. Dort wurden Schlossplatz-Anhängerinnen beschimpft, rassistisch bzw. antisemitisch verunglimpft und sogar bedroht. Zustimmung bekam die Hindenburg-Initiative darüber hinaus von Bürgern, die sich im Umbenennungsverfahren übergangen bzw. bevormundet fühlten.

Als Einzelperson hervorzuheben ist Hauptinitiator und Sprecher der Bürgerinitiative, Stefan Leschniok – Rechtsanwalt, CDU-Mitglied, Vertriebenenfunktionär und Unterstützer der rechtspopulistischen CDU-Bewegung »Linkstrend Stoppen«. Er verwahrte sich – wie die gesamte Bewegung – gegen Extremismus jeglicher Art, aber zählt zu seinen (Facebook-)Freunden auch Rechtsextremisten – wie den sächsischen NPD-Funktionär Thorsten Thomsen – und ist Anhänger der »Jungen Freiheit«.

Diese unterstützte sein Anliegen mit mehreren Beiträgen – zuletzt mit Hindenburg auf der Titelseite unter der Schlagzeile »Große Säuberung«. Dazu gehörte auch das mit einem anderen Hauptakteur der Hindenburg-Anhänger – dem JU-Vorsitzenden Christoph Sluka – geführte Interview, der nicht nur hier von Hindenburg als dem »letzte(n) Bollwerk gegen Hitler« sprach.

Von den Hindenburg-Anhängern wurde zwar immer wieder propagandawirksam behauptet, dass es nur um ein »vertrautes Stück Heimat« und nicht um eine Ehrung Hindenburgs ginge, aber da sie die historischen Fakten stoisch ignorierten bzw. negierten (»kein Verbrecher«) und in der Auseinandersetzung die Begriffe »Säuberung« oder »Bilderstürmerei« benutzten, bestätigten sie selbst ihre wahren Interessen und verrieten viel über ihr rechtes Gedankengut.

Diesem geschichtsrevisionistischen Ansinnen trat ein breites gesellschaftliches Bündnis aus Teilen der CDU, kirchlichen Kreisen, SPD, FDP, Grünen, der Linken, der VVN/BdA Münster u.a. sowie Prominenten aus Politik, Kunst & Kultur entgegen und letztlich konnte durch das große Engagement der Bürgerinitiative »Schlossplatz!« die Rückbenennung verhindert werden.

Dass trotz der historischen Fakten und aufklärerischen Bemühungen so viele Münsteranerinnen und Münsteraner für Hindenburg stimmten, lässt sich leider nicht nur mit diffusen »Heimatgefühlen« und »Protest« erklären. Es zeigt, wie schwierig es ist, Menschen ein kritisches Geschichtsbewusstsein zu vermitteln und damit wirklich grundlegend gegen Geschichtsrevisionismus vorgehen zu können.