Ehrung für den Unbeugsamen

geschrieben von Janka Kluge

5. September 2013

Vor 75 Jahren erhielt Carl von Ossietzky den Friedensnobelpreis

Nov.-Dez. 2011

Ende November 1936 gab das Nobelpreiskomitee in Oslo gleich zwei Preisträger bekannt. Für 1936 ging der Preis an den argentinischen Außenminister Lamas, der sich in Verhandlungen für einen Frieden zwischen Bolivien und Peru eingesetzt hatte. Für 1935 wurde der Friedensnobelpreis an Carl von Ossietzky verliehen. Der Journalist und Redakteur wurde für seinen Einsatz für den Frieden und sein entschiedenes Engagement gegen den aufkommenden Nationalsozialismus ausgezeichnet. Vorausgegangen war eine Kampagne, die von Emigranten entwickelt wurde, um über die Situation der Häftlinge in den Konzentrationslagern zu informieren und vom Ausland Druck auf Deutschland zu machen. Kurt R. Grossmann schrieb im Januar 1934 aus seinem Prager Exil an Emile Kahn, dem Generalsekretär der französischen Liga für Menschenrechte: »Die Berichte, die hier über die Lage der Häftlinge einlaufen, die Fortdauer der Misshandlungen, die physische und psychische Vernichtung von Menschen vom Schlage Carl von Ossietzkys, geben mir Veranlassung, Sie, lieber Freund, anzuregen, dass von der französischen Liga doch großer Protest mit Weltausmaß gegen die Schande der Konzentrationslager eingeleitet werden möge.«

Ossietzky war spätestens seit 1931 auch international bekannt geworden. Damals war er im sogenannten Weltbühne-Prozess wegen Spionage und Verrats militärischer Geheimnisse angeklagt. Der Artikel auf den sich die Anklage bezog war bereits 1929 erschienen. In ihm hatte der Flugzeugexperte Walter Kreiser die geheime Aufrüstung der Wehrmacht aufgedeckt. Ossietzky lehnte es im Gegensatz zu Kreiser ab, sich durch Flucht ins Ausland vor der Haftstrafe zu retten. Über seine Motive schrieb er 1932 in dem Artikel »Rechenschaft«: Über eines möchte ich keinen Irrtum aufkommen lassen, und das betone ich für alle Gegner und Freunde und besonders für jene, die in den nächsten achtzehn Monaten mein juristisches und physisches Wohlbefinden zu betreuen haben: – ich gehe nicht aus Gründen der Loyalität ins Gefängnis, sondern weil ich als Eingesperrter am unbequemsten bin. Ich beuge mich nicht der in roten Samt gehüllten Majestät des Reichsgerichts sondern bleibe als Insasse einer preußischen Strafanstalt eine lebendige Demonstration gegen ein höchstinstanzliches Urteil, das in der Sache politisch tendenziös erscheint und als juristische Arbeit reichlich windschief.«

Einen weiteren Prozess musste Ossietzky, als Herausgeber der Weltbühne, 1932 wegen des berühmten Satzes von Kurt Tucholsky wonach »Soldaten Mörder sind« über sich ergehen lassen. In diesem Verfahren wurde er allerdings freigesprochen.

Carl von Ossietzky gehörte zu den ersten, die nach dem Reichstagsbrand 1933 verhaftet wurden. Am Morgen des 28. Februars 1933 wurde Ossietzky in das Polizeigefängnis am Berliner Alexanderplatz und später in das Columbus-Haus, das berüchtigte SA-Quartier gebracht. Am 31. März wurde er zurück zum Alexanderplatz gebracht um dort zusammen mit dem Schriftsteller Ludwig Renn und Ernst Torgler, dem Vorsitzenden der Reichstagsfraktion der KPD, der internationalen Presse vorgeführt zu werden. Anlass waren Artikel, in denen über Folterungen und Misshandlungen von Ossietzky berichtet wurde.

Am 6. April wurde Ossietzky in das gerade errichtet KZ Sonnenburg gebracht. Im Frühjahr 1934 wurde er in das KZ Esterwegen verlegt. Im Herbst 1935 gelang es dem Schweizer Diplomaten Jacob Burckhardt, für das Rote Kreuz Esterwegen zu besuchen. Er verlangte auch Ossietzky sehen zu können. Nachdem ihm zuerst gesagt wurde er sei nicht in diesem Lager, wurde er ihm schließlich doch vorgeführt. In seinen Erinnerungen »Meine Danziger Mission« beschrieb Burckhard auch die Begegnung mit Ossietzky: »Nach zehn Minuten kamen zwei SS-Leute, die einen kleinen Mann mehr schleppten und trugen als heranführten. Ein zitterndes Etwas, ein Wesen, das gefühllos zu sein schien, ein Auge verschwollen, die Zähne anscheinend eingeschlagen, er schleppte ein gebrochenes, schlecht geheiltes Bein.«

Nach der Bekanntgabe des Friedensnobelpreises an Ossietzky konnte er in einem Krankenhaus behandelt werden. Trotzdem starb er am 4. Mai 1938 an den Folgen von Haft und Folterungen.

Grossmann organisierte in Prag eine Trauerfeier für seinen Freund und Kampfgefährten Carl von Ossietzky. In seiner Rede sagte er: »In dieser schmerzvollen Stunde, wo wir von Carl von Ossietzky Abschied nehmen – gewiß kein Abschied von seiner geistigen Persönlichkeit, die fortleben wird über diesen Tag hinaus, ich wage es auszusprechen, über unsere Epoche hinaus -, drängt es mich vor allem zu sagen: Dieser Carl von Ossietzky war eine einmalige Persönlichkeit, von der es keine Kopie geben kann und geben wird.«

Mit der Preisverleihung ist nicht nur der kritische und unbeugsame Journalist Carl von Ossietzky geehrt worden, sie war zugleich auch eine Erinnerung an das Schicksal aller KZ-Häftlinge.