Ein jahrzehntelanger Kampf

geschrieben von Ulrich Sander

5. September 2013

Späte Erfolge für die Entschädigungsexperten der VVN

April-Mai 2012

Weil die hohen NS-Wehrwirtschaftsführer sich so lange auf der Kommandobrücke von Wirtschaft und Politik in Westdeutschland halten konnten, sorgten sie dafür, dass man die Konzerne nicht zur Bezahlung für die Sklavenarbeit heranzog. Dass sie die Sklavenarbeiter anforderten, wurde schon in Nürnberg nachgewiesen und dann fünfzig Jahre lang »vergessen«. Alice Stertzenbach

Der Alfred-Hausser-Preis

Seit 2006 verleiht der Landesverband Baden-Württemberg der VVN-BdA alle zwei Jahre den Alfred-Hausser-Preis an antifaschistische Projekte von Schülerinnen und Schülern

Bisherige Preisträger des Alfred-Hauser-Preises

2006: SchülerInnen und Schüler der Integrierten Gesamtschule Mannheim-Herzogenried für ihr Projekt Zwangsarbeit: siehe www.igmh.de

2008: Schulgeschichtsforscher AG der Grund- und Hauptschule Ostheim für ihr Projekt über das Schicksal der Familie Schneck/ Guttenberger, die 30 Angehörige in den Konzentrationslagern verlor.

2010: Klasse 8a der GHWRS Ulm für einen Film und ein Lied über das KZ Oberer Kuhberg, mit dem die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund die Frage »Was geht mich Eure Geschichte an« beantworten.

In den sechziger und siebziger Jahren waren Themen wie Zwangsarbeiter tabu. Wer sich um die Rolle der Unternehmen im Nationalsozialismus kümmerte, wurde kommunistischer Sympathien verdächtigt.« Diese Feststellung traf Ende August 1998 der »Spiegel«. Bis zur Wende 1990 galt Kohls Spruch: »Die Wiedergutmachungskasse bleibt geschlossen.« Warum kamen die deutschen Konzerne erst so spät als Sklavenausbeuter von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen, als Mitschuldige am Tod vieler ins Gerede und warum war ihnen das nach so vielen Jahren unangenehm? Einer, der darüber Auskunft geben konnte, war Alfred Hausser (1912-2003). Gemeinsam mit der 1996 87jährig verstorbenen Alice Stertzenbach – sie jüdische Kommunistin und er Widerstandskämpfer wie auch ehemaliger Zwangsarbeiter bei Bosch – hat er seit der Gründung der VVN unermüdlich für die Aufklärung über die Täter, für ihre Bestrafung und für die Entschädigung der Opfer gewirkt. Alfred und Alice waren die Leiter der Sozialkommission des VVN-Präsidiums. Alfred war zuletzt Ehrenpräsident der VVN-BdA und 1986 Gründer der Interessengemeinschaft ehemaliger Zwangsarbeiter. Ab Ende der 90er Jahre haben sich die Opfer weltweit zu Wort gemeldet. Sie haben in den USA die deutschen Konzerne und Banken angeprangert und in Sammelklagen vor Gericht gezerrt, um deren Image auf dem Weltmarkt anzugreifen. Das ist der Hauptgrund, warum sich die Konzerne bewegt haben, meinte Alfred Hausser, doch was er dafür tun konnte hat getan. Seit 1953 und 1956, seit Verabschiedung des ersten und zweiten Bundesentschädigungsgesetzes engagierte sich die VVN für die Öffnung und Erweiterung des Gesetzes, hin zur Entschädigung auch der »vergessenen« Opfer. Vergessen und verdrängt bis zum Tag der Wiedervereinigung waren auch die Deserteure und Kommunisten, die in der verbotenen KPD wirkten – vor wie nach 1945. Osteuropäer erhielten nichts nach dem BEG. Dafür hatte der Kriegsverbrecher und führende Bankier Hermann Josef Abs Anfang der 50er Jahre in den Londoner Schuldenverhandlungen gesorgt. Kam die Entschädigung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter nicht zu spät? Die alten Aktivisten aus der VVN sagten: Besser spät als nie. Die Freisprechung des deutschen Kapitals von seiner Nazivergangenheit konnte nun nicht mehr aufrechterhalten werden. Und die Opfer bekamen eine – wenn auch kleine – materielle Hilfe, die sie dringend benötigen. Das ist doch schon ein wichtiger Aspekt, ¬meinte auch Alfred Hausser. Er formulierte mit an der Präambel des Gesetzes vom Sommer 2000 zur Zwangsarbeiterentschädigung »in Anerkennung, dass der nationalsozialistische Staat Sklaven- und Zwangsarbeitern durch Deportation, Inhaftierung, Ausbeutung bis hin zur Vernichtung durch Arbeit und durch eine Vielzahl weiterer Menschenrechtsverletzungen schweres Unrecht zugefügt hat« und »deutsche Unternehmen, die an dem nationalsozialistischen Unrecht beteiligt waren.« Doch das Unrecht ist nicht aus der Welt. Die Bundesregierung setzte durch, dass Zwangsarbeiter, die als Kriegsgefangene nach Deutschland kamen, von jeder Entschädigung ausgeschlossen blieben.