Ein Meilenstein

geschrieben von Thomas Willms

5. September 2013

Bund und Länder für ein neues NPD-Verbotsverfahren

Jan.-Feb. 2013

Die siebzehn deutschen Innenminister trafen sich am 5. Dezember in Warnemünde, um ihren Ministerpräsidenten einstimmig die Einleitung eines neuen NPD-Verbotsverfahrens vorzuschlagen, die diesem Votum einen Tag später auch folgten. Richtig glauben mochte man es erst am 14., als der Beschluss formal im Bundesrat gefasst wurde. Das jahrelange Gezerre, das diesem Beschluss vorausging, war entnervend und hat auch viele Befürworter zerrüttet.

Was wir uns verdient haben, jetzt wo Fotos unserer Plakate und Transparente mit dem Logo »nonpd – NPD-Verbot jetzt« von den Presseagenturen flächendeckend verbreitet und als verbindlicher Ausdruck des Verbotswillens dargestellt werden, ist ein Moment der ruhigen Zufriedenheit. Es geht der NPD konkret an den Kragen. Das hat niemand besser begriffen als Holger Apfel, der noch Anfang November eine hektische pseudojuristische Aktion gestartet hatte, womit er seiner Partei Verfassungskomformität bescheinigen lassen wollte.

Wie seinerzeit im Filmklassiker »Die zwölf Geschworenen« mussten in der Innenministerriege letztlich auch diejenigen mitziehen, die eigentlich nicht wollen. Im »einstimmigen« Votum der Geschworenen wie der Innenminister verbergen sich tiefgehende Differenzen, Ressentiments und Eigeninteressen.

Etwas anderes war auch nicht zu erwarten. Wichtigtuerei, Krokodilstränen und Pseudosorgen von Politikern, die jahrzehntelang eine faschistische Partei toleriert und ihre Finanzierung zugelassen haben, zählen jetzt aber nicht mehr.

Durch besondere Wurstigkeit tat sich allen voran Bundesinnenminister Friedrich hervor, der, ganz CSU-Mann durch markige Recht-und-Ordnung-Sprüche auf sich aufmerksam machen möchte. Diesmal stimmte er zu, um sich irgendwie doch noch ein Hintertürchen in Form einer Protokollnotiz offenhalten. Sollte es später zu Problemen kommen – nicht zuletzt durch ihn selbst verursacht – wird er sagen »Ich habe es ja gleich gewusst!«. Unklar ist auch wie es um die »Testate« der Innenminister steht, beglaubigende Unterschriften, dass die gesammelten Daten wirklich V-Mann frei sind. Noch wenige Wochen vor dem Beschluss waren ja Belege für die Sammlung zurückgezogen worden. Nicht, weil sie nicht bewiesen, dass die NPD eine faschistische Partei ist, sondern weil sie Belege für die Verquickung von faschistischer Partei und Staat darstellen. Das sieht das Bundesverfassungsgericht aber zu Recht nicht gerne, wenn es um das Verbot eben dieser Partei geht.

Entscheidend ist aber, dass am 5.Dezember der schier unlösbare Knoten durchschlagen wurde. Die Selbstblockade des politischen Systems wurde überwunden. Möglich wurde dies nur durch die massive Schwächung der VS-Behörden. Nicht weniger als fünf ihrer Leiter mussten in letzter Zeit zurücktreten. Es ist traurig, aber wahr, dass erst eine rechtsterroristische Mordserie das Land erschüttern musste, bevor die Beharrungskräfte dieser Behörden überwunden werden konnten. Dahinter gibt es aber auch kein Zurück mehr. Die Zeiten, in denen VS-Behörden sich die alleinige Definitionsmacht darüber anmaßten, bestimmen zu können was »extremistisch« ist oder nicht, sind vorbei.

2013 beginnt eine neue Phase. Zu der gehört, dass nun Bundestag und Bundesregierung erneut ins Spiel kommen. Es heißt, diese »müssten« nun ebenfalls Verbotsanträge stellen, um die Länder nicht im Regen stehen zu lassen. Juristisch gesehen müssen sie das aber gar nicht. Es ist ausreichend und wäre vielleicht sogar besser, wenn eines der drei Verfassungsorgane einen Antrag stellt.

Eine sich an alle Fraktionen richtende Initiative der SPD-Fraktion lässt aber erwarten, dass der Bundestag einen eigenen Antrag stellen wird. Es werden dann in den Debatten wieder alle guten und schlechten Argumente zu hören sein, die man schon kennt. Und wieder werden Abgeordnete aus vielen Fraktionen abstrakt über das Thema reden als ginge es um eine neue Autobahnauffahrt. Sie werden reden als hätten sie noch nie etwas von den Verbrechen des NS-Regimes gehört oder als hätte das keinen Einfluss auf ihr Denken.

In einer Erklärung zum 5. Dezember versicherte die VVN-BdA, dass sie ihre seit 2007 geführte Kampagne bis zum Verbot und der tatsächlichen Auflösung der NPD fortsetzen wird. Es wird darum gehen, den Prozess aktiv zu begleiten, den politischen Druck aufrecht zu erhalten und immer wieder zu sagen was richtig ist.