Elf Jahre für ein Denkmal

5. September 2013

Über den Umgang mit der Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs.
Von Moritz Krawinkel

Nov.-Dez. 2012

Moritz Krawinkel ist Soziologe und hat 2011 das Buch »Die Schlacht am Jarama. Zwischen Geschichte und Gedächtnis« (Dietz Verlag) veröffentlicht. Außerdem ist er Mitautor des Buches »Antifa. Geschichte und Organisierung« (Schmetterling Verlag).

Im Mai des Jahres 1983 reiste der französische Veteran der XV. Internationalen Brigade, François Mazou aus Pau, das erste Mal nach Morata de Tajuña, dreißig Kilometer südöstlich von Madrid. Auf dem örtlichen Friedhof suchte er die Gräber von fünftausend spanischen und internationalen Kämpfern, die im Februar 1937 in der Schlacht am Jarama getötet und hier begraben worden sein mussten. Die Gräber fand er zunächst nicht – doch damit begann Mazous elfjähriger Kampf um die Erinnerung an diese Antifaschisten.

Doch von vorn: Als in Spanien im Juli 1936 reaktionäre Putschisten mit Unterstützung der faschistischen Achsenmächte die Volksfrontregierung hinwegfegen wollten, erwachte der Kampfwille der Linken und Republikaner. Ihre Milizen stellten sich dem Putsch in den Weg und verhinderten den unmittelbaren Sieg der Rechten, die massiv von Deutschland und Italien unterstützt wurden. So entwickelte sich aus dem Putschversuch ein Bürgerkrieg, den General Franco und seine Anhänger erst nach fast drei Jahren erbitterten Kampfes für sich entscheiden konnten.

Eine der entscheidenden Schlachten des Bürgerkriegs wurde im Februar 1937 im Südosten Madrids, am Jarama-Fluss, geschlagen. Die direkte Einnahme der republikanischen Hauptstadt war im November 1936 am erbitterten Widerstand der Madrider Bevölkerung, unterstützt von den ersten Internationalen Brigaden, gescheitert. Also versuchten die Franquisten, Madrid einzuschließen und so die Niederlage der Republik zu erzwingen. Schon im Januar 1937 war Madrid bis auf einen breiten Korridor gen Osten umzingelt, von wo Verstärkung und Nachschub die Verteidigerinnen noch erreichen konnte. Vor allem die Straße nach Valencia hatte sich so in ein wichtiges Kriegsziel der Franquisten verwandelt. Zu diesem Zeitpunkt erreichte die ausländische Hilfe für Franco wie auch für die Republik ihren Höhepunkt: Ende Januar 1937 standen sich vor Madrid zwei, für die damaligen Verhältnisse und das in diesem Krieg bisher erreichte Niveau, hoch gerüstete Armeen gegenüber. Die Republikaner hatten das Ziel, die Kommunikations- und Nachschubwege der Belagerer abzuschneiden. Die Franquisten dagegen wollten in Richtung Osten über den Jarama und die Straße nach Valencia vorstoßen.

Die erste offene Feldschlacht des Krieges begann am 6. Februar 1937 mit dem Angriff der Franco-Truppen. Trotz der langen Vorbereitung wurden die loyalen Truppen von den Franquisten überrascht und mussten dem Vormarsch der Franquisten über den Jarama zusehen, ohne ihnen nennenswerten Widerstand entgegensetzen zu können. Erst nach einigen Tagen wendete sich das Blatt: Die republikanische Seite konnte endlich zum Gegenangriff übergehen. Schließlich gelang es in dreiwöchigem Kampf, die Einnahme der Straße nach Valencia zu verhindern. Zwar hatte keine der Seiten ihre eigentlichen Ziele erreicht, aber die Republikaner doch die Umzingelung Madrids verhindert. Dieser relative Sieg kam jedoch nur um den Preis hoher Opferzahlen zustande: schätzungsweise zehntausend Tote auf Seiten der Republikaner, siebentausend auf Seiten der Franquisten sowie achthundertdreißig tote und um die zweitausend verwundete Interbrigadisten.

Aufgrund der hohen Konzentration ausländischer Einheiten – Legion Condor auf der einen Seite, Internationale Brigaden und russische Panzer auf der anderen – war die Schlacht am Jarama die erste wirklich internationale Schlacht des Krieges.

François Mazou, geboren 1914, war Gewerkschaftsaktivist, bevor er im Dezember 1936 nach Spanien zu den Internationalen Brigaden ging. Er war einer von neuntausend Franzosen und Französinnen, die das größte nationale Kontingent in den Brigaden stellten. Insgesamt gingen rund funfundreißigtausend Freiwillige aus zweiundfünfzig Ländern nach Spanien, die meisten von ihnen Arbeiter und von der Komintern rekrutierte Kommunisten und Kommunistinnen. Sie nahmen an allen großen Schlachten des Krieges teil, doch 1938 versuchte der republikanische Präsident Negrín, den Krieg zu nationalisieren und zog alle nicht-spanischen Kämpfer ab. Vor ihrer Abreise versprach Negrín den Brigadisten jedoch die spanische Staatsangehörigkeit in einem siegreichen republikanischen Spanien.

François Mazou war dem französisch-belgischen Bataillon zugeordnet und in der Schlacht am Jarama schwer verletzt worden, nach seiner Genesung wurde er zum Politkommissar ernannt und in der Schlacht am Ebro 1938 erneut verletzt. Während der Besetzung Frankreichs durch die Nazis ist Mazou für das Londoner Bureau Central de Renseignement et d’Action tätig und für illegale Grenzübertritte, Informationen und Kommunikation zuständig gewesen.

Morata de Tajuña, wohin Mazou 1983 zurückkehrte, war während der Schlacht am Jarama Sitz einer republikanischen Division und lag nur anderthalb Kilometer von der Front entfernt. Wenige Tage vor Kriegsende waren die Franquisten in Morata einmarschiert es folgten Verhaftungen und Erschießungen, bei denen dreißig echte oder vermeintliche Republikanerinnen getötet wurden.

Mazou begab sich im Mai 1983 auf den Friedhof, um die Gräber seiner fünftausend spanischen und internationalen Kameraden zu suchen. Er wusste, dass sie dort liegen müssten, fand aber keinerlei Hinweise. Auch Leute aus dem Ort, die er fragte, erwiderten nur: »Überflüssig, hier gibt es nichts!« Morata wurde zu dieser Zeit von der Vorgängerpartei des heutigen Partido Popular, der Alianza Popular regiert, einem Sammelbecken für Mitglieder der früheren franquistischen Ständeversammlung, die das »positive Erbe« der Diktatur bewahren wollten. Und in den Straßen Moratas fand sich, wie in der Mehrheit spanischer Städte damals und zum Teil bis heute, noch immer die franquistische Symbolik.

Das siegreiche Regime vernichtete das gesamte liberale und republikanische Erbe: »Physisch durch Ermordung aller exponierten Kräfte der republikanischen Seite, politisch durch kompromisslose Machtaufteilung unter den Siegern, intellektuell durch Zensur und Verbote, propagandistisch durch einseitige Indoktrinierungen, kulturell durch Eliminierung der Symbole jenes angeblichen ›Anti-Spaniens‹.« Der mörderischen Repression fielen schätzungsweise hundertfünfzigtausend Menschen zum Opfer, ebenso viele wurden als »Staatenlose« den Deutschen ausgeliefert (sechs- bis siebentausend Spanier starben in deutschen Konzentrationslagern), vierhunderttausend Menschen wurden in Spanien eingesperrt und zur Zwangsarbeit gezwungen, hunderttausende gingen ins Exil. Die Opfer der Repression wurden oftmals am Straßenrand verscharrt, wo sie zu Tausenden noch heute liegen.

Gleichzeitig setzten die neuen Machthaber ihre Version der Geschichte mit aller Macht durch: Ein neuer Festkalender, die Umbenennung von Straßen und Plätzen, der Bau von Denkmälern und anderen Erinnerungsorten sollte dazu dienen, das franquistische Geschichtsbild zu zementierten und die Spaltung der Gesellschaft in Sieger und Besiegte aufrechtzuerhalten.

Der spanische Übergang zur Demokratie, die Transition, war kein offener Bruch mit dem alten Regime, sondern eine Reform unter den Vorzeichen von Kontinuität und Konsens. Als solche hatte die »in Spanien nach 1975 schnell erreichte Stabilität ihren politischen und moralischen Preis«. Unmittelbare Nutznießer der Interpretation der Vergangenheit blieben auch während der Transition vor allem die Franquisten. Sie profitieren bis heute von der Amnestie des Jahres 1977: Kein Profiteur, kein Folterer, kein Mörder im Dienste des Regimes wurde jemals in Spanien angeklagt. Der »Prozess der politischen Transition in Spanien war von einem zentralen Gedanken gekennzeichnet: Einen friedlichen und neutralisierten Weg aus der Diktatur General Francos zu finden. Dieses Ziel führte dazu, dass die Transition als Übertragung zwischen Eliten verstanden wurde, weit entfernt von den Forderungen nach Wandel der Opposition gegen die Diktatur, die andererseits nicht genügend Kräfte vereinen konnte, um ihre Ansichten des Bruchs durchzusetzen.« So wurde auch die franquistische Symbolik in den Straßen nur in wenigen Fällen beseitigt, die antifaschistische Geschichtserzählung kam nicht zum Zuge. Das lag neben der Akzeptanz des »Konsenses« auch an der weitverbreiteten Angst der Linken vor einer Wiederkehr des alten Regimes – vor allem infolge des Putschversuches von 1981, als Teile der Guardia Civil und des Militärs versuchten, eine Rückkehr zur Diktatur zu erzwingen. Viele Linke saßen damals buchstäblich auf gepackten Koffern.

In Morata de Tajuña erhielten erst 1996 zwölf Straßen und Plätze ihre vor-franquistischen Namen zurück. Doch an der Plaza Mayor, direkt gegenüber dem Rathaus, präsentiert die lokale Sektion der faschistischen Partei Falange bis heute ihre Symbole.

Im Herbst 1986 kehrte François Mazou wieder nach Morata zurück. Und dieses Mal mit mehr Erfolg: Er traf zwei pensionierte Bestatter, die im berichteten, wie die Toten im Februar 1937 von sowjetischen LKW gebracht und auf dem Friedhof in sechzig Meter langen Massengräbern beerdigt worden waren. Name, Nationalität, Alter und Todestag sei auf Brettern vermerkt worden. In den 1950er Jahren hätten die neuen Machthaber die Gräber dann ausgehoben, an ihrer Stelle neue angelegt und die Reste der fünftausend Toten in einer Ecke des Friedhofs vergraben, die später als Müllhalde genutzt wurde.

Wieder zurück in Pau informierte Mazou den Bürgermeister Moratas von seinem Besuch. Außerdem kehrten befreundete Künstler und Künstlerinnen, die ihn bei seinem Besuch begleitet hatten, auf den Friedhof zurück und legten dort einen Gedenkstein ab. Heute lautet der verwitterte, kaum noch erkennbare Text auf dem Stein:

»A MES 5.000 CAMARADES ESPAGNOLS ET VOLONTAIRES DES BRIGADES INTERNATIONALES TOMBÉS LORS DE LA BATAILLE DU JARAMA EN FÉVRIER 1937. FRANÇOIS MAZOU«

Im März 1987 führte Mazou in Morata Gespräche mit dem Bürgermeister und dem Pfarrer, dem Eigentümer des Friedhofs. Ziel war in diesen Gesprächen, ebenso wie in Unterredungen im Büro des Präsidenten des Landes Madrid, dass das Grab zu einem geschützten Historischen Ort erklärt wird. Mazou wurde zwar freundlich empfangen, Hilfe sagte ihm allerdings niemand zu. Gleichzeitig stieg jedoch das Interesse an seinen Nachforschungen: Dass immer wieder Blumen am Grab abgelegt wurden bestärkte ihn schließlich, seine Arbeit fortzusetzen.

Schon im Juni war Mazou wieder in Morata. Zusammen mit einer Gruppe von Schülern aus Frankreich organisierte er eine Gedenkfeier für die toten Antifaschisten. Leute aus der Gegend und Vertreter verschiedener Organisationen nahmen daran teil. Reden zu Ehren der Internationalen Brigaden sowie der spanischen Antifaschisten wurden gehalten, die Forderung nach Erklärung des Ortes zu einem Historischen Ort wurde erneut laut und erstmals auch die Forderung nach einem Denkmal an dieser Stelle.

Unter den Teilnehmern an der Gedenkfeier war jedoch niemand aus der Stadtregierung, der immerhin auch fünf Mitglieder der Sozialistischen Partei angehörten.

1982 war die Sozialistische Partei und damit das erste Mal seit Ende der Diktatur eine Partei, die sich nicht aus dem alten Establishment rekrutierte, an die spanische Regierung gekommen. Aber die 1980er Jahre brachten trotzdem noch mehr Vergessen und Verdrängen. Ein besonders deutliches Beispiel dafür liefert der fünfzigste Jahrestag des Putsches gegen die Republik im Jahr 1986. Damals war es theoretisch das erste Mal möglich, an einem wichtigen Datum an den Krieg und seine Folgen zu erinnern, ohne dass der Inhalt der Erinnerung vom Regime diktiert würde. So fanden auch, organisiert vor allem von der Kommunistischen Partei, Veranstaltungen im Gedenken an die Opfer der franquistischen Repression und zu Ehren der Internationalen Brigaden statt. Auffällig war jedoch ein Kommuniqué der sozialistischen Regierung, in dem es hieß: »Ein Bürgerkrieg ist kein der Erinnerung würdiges Ereignis«, doch »die Regierung möchte die Erinnerung all jener, die zu jeder Zeit mit ihrer Anstrengung und viele von ihnen mit ihrem Leben zur Verteidigung der Freiheit und der Demokratie in Spanien beitrugen, ehren und preisen.« Soweit so gut. Aber der Text geht weiter: Die Regierung »gedenkt zudem mit Respekt all jener, die von anderen Positionen denn des demokratischen Spaniens für eine andere Gesellschaft kämpften und der ebenfalls viele ihre eigene Existenz opferten«. Die spanische Sozialdemokratie setzte damit die Verdrängung der Vergangenheit fort.

Anfang der 1990er Jahre erhielt François Mazou jedoch verstärkt Unterstützung. Vor allem schaltete sich der irische Interbrigadist Bob Doyle in Mazous Kampagne ein. Der 1916 geborene IRA-Aktivist Doyle war 1937 nach Spanien gekommen, nachdem in der Schlacht am Jarama ein Freund von ihm gefallen war. Er gründete in London die »Jarama Memorial Association«, in deren Gründungserklärung es heißt, dass das Grab nunmehr unmarkiert in der Mitte des erweiterten Friedhofs und der 1986 geschaffene Gedenkstein achtlos auf der Seite liege. 1993 dokumentierte Doyle eine Reise nach Spanien und Gespräche mit Politikern über den Fall Morata für die Serie BBC Video Diaries. Und im gleichen Jahr schrieb er einen Brief an den früheren britischen Premierminister Edward Heath, ein Freund des republikanischen Spaniens. Der Ex-Premier erreichte, dass Angestellte der britischen Botschaft den Friedhof in Morata besuchten, was Madrid aufzuwecken schien. Die Antwort von Heath an Doyle kam zusammen mit einem Brief des spanischen Präsidenten Felipe González. Darin heißt es, er habe mit den entsprechenden Stellen gesprochen und hoffe, »dass diese Angelegenheit sich schnell kläre und den Kämpfern der Internationalen Brigaden in Morata de Tajuña mit der Würde, die sie verdienen gedacht werden könne«.

Schließlich wurde der 8. Oktober 1994, elf Jahre nach Mazous ersten Nachforschungen, als Tag der Einweihung des Denkmals auf dem Friedhof von Morata de Tajuña festgelegt. Über tausend Menschen nahmen an der feierlichen Enthüllung des Denkmals teil, auf dem es heißt:

»ZUR ERINNERUNG AN DIE HELDENHAFTEN KÄMPFER DER SPANISCHEN ANTIFASCHISTEN UND DER INTERNATIONALEN BRIGADEN, DIE IN DER SCHLACHT AM JARAMA IM FEBRUAR 1937 IHR LEBEN GABEN FÜR DIE SACHE DER FREIHEIT VON SPANIEN, VON EUROPA UND DER WELT.«

Die konservative Tageszeitung »El Mundo« berichtete zwar ausführlich von der Einweihung und zitierte sogar die Inschrift des Denkmals. Allerdings wurden die auf dem Denkmal explizit erwähnten »spanischen Antifaschisten« einfach weggelassen.

Diese Randnotiz verweist auf ein Ungleichgewicht im Gedenken an die Internationalen Brigadisten einerseits und die spanischen Antifaschisten andererseits. Während die Internationalen vom spanischen Kongress in Anlehnung an das Versprechen Negríns 1995 die spanische Staatsbürgerschaft angeboten bekamen, hat es eine vergleichbare Anerkennung für die spanischen Verteidiger und Kämpferinnen der Republik niemals gegeben. Auch am Jarama gibt es inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Internationalen Brigaden, denen gegenüber lediglich auf einem Denkmal die Erwähnung »all jener« steht, die neben den Internationalen Brigaden »solidarisch für die Freiheit kämpften«. Der einzige weitere physische Erinnerungsort, an dem die spanischen Antifaschisten explizit erwähnt werden, ist das Denkmal auf dem Friedhof von Morata – und dort werden sie im Artikel über die Einweihung unterschlagen.

Viele der nach 1938 in ihre Länder zurückgekehrten Mitglieder der Internationalen Brigaden konnten ihre kollektiven Erinnerungen an die Teilnahme am Bürgerkrieg nach dem Krieg kontinuierlich pflegen: Sie veröffentlichten literarische Berichte und Romane und die kommunistischen Parteien, deren Mitglied viele Interbrigadisten waren, legten großen Wert auf ihr Andenken. Darüber hinaus gründeten die Heimkehrer schnell Veteranenorganisationen, die trotz zeitweiser Einschränkungen ihrer Arbeit, beispielsweise in den USA der McCarthy-Ära, die Erinnerung an den Kampf in Spanien über die Jahre lebendig hielten. In Bezug auf den Jarama waren es auch musikalisch vor allem die Internationalen, die das kollektive Gedächtnis an die Schlacht aufrechterhalten konnten: Im deutschsprachigen Raum war es Ernst Busch, der der Erinnerung an die Schlacht mit den Liedern »Am Río Jarama« und »Lincoln-Bataillon« bzw. »In dem Tal dort am Río Jarama…« eine musikalische Form gab.

Demgegenüber standen die im Land verbliebenen spanischen Antifaschisten und Antifaschistinnen einer Diktatur gegenüber, die sie mit aller Härte verfolgte und es sich zur ersten Aufgabe gemacht hatte, die Erinnerungen der im Krieg unterlegenen Seite zu vernichten. Sie konnten ihre Erfahrungen nur sehr begrenzt teilen und mussten sie vielfach als individualisiertes Trauma verarbeiten.

Nach dem Ende der Diktatur wurde die Unterdrückung des kollektiven Gedächtnisses der Republikaner vom Schweigen der Transition abgelöst. Die Erinnerung an die antifaschistische und republikanische Tradition Spaniens wurde als störend auf dem Weg in die Zukunft empfunden.

Dagegen hatten die nicht-spanischen Erinnerungskollektive im Ausland keine Probleme mit einem einseitigen Erinnern an die republikanisch-antifaschistische Seite, dessen Bedingungen nicht von Konsens und Versöhnung mit den früheren Feinden geprägt waren, sondern vom Antifaschismus.

Nicht zuletzt kann der Einsatz der Brigaden als außerordentliches Beispiel internationaler Solidarität betrachtet werden. In Peter Weiss‘ »Ästhetik des Widerstands« heißt es: »Und doch ist die internationale Teilnahme am Krieg, trotz ihrer zahlenmäßigen Geringfügigkeit, unschätzbar für den Standpunkt der Solidarität. Dreißigtausend Mann sind verschwindend wenig im Vergleich zu einer einzigen Demonstration der Volksfront in Paris. Weil aber die hunderttausende nicht alles tun, um den Angriff des Faschismus zu brechen, so müssen die tausende immer wieder genannt werden, denn diese sind es, die aus ihren politischen Einsichten die Konsequenzen ziehn.« Dem entsprechend ließe sich sagen, dass den Veteranen bei ihren Besuchen in Spanien die konsequente Solidarität, die sie zeigten, mit Dankbarkeit zurückgegeben wird.

Diese Dankbarkeit sollte jedoch nicht dazu führen, dass all die Milizionäre und Milizionärinnen, alle Republikaner, die sich dem faschistischen Militärputsch vom Juli 1936 entgegengestellt hatten, vernachlässigt werden. Gerade sie, die vergessen werden in den Erwähnungen der bekannten Namen, sollten gewürdigt und eine Erinnerungskultur entwickelt werden, die nicht auf Abgrenzung oder gar Hierarchisierung der verschiedenen Erinnerungskollektive nach Ideologie, Nationalität, Opfer- oder Kämpferstatus beruht, sondern vielmehr auf einer Inklusion der Erinnerungen in ein Gedächtnis, in dem alle antifaschistisch Beteiligten ihren Platz haben.

François Mazou starb im Juli 1999 im Alter von fünfundachtzig Jahren in Pau.