Erinnerung und Mahnung

geschrieben von Heinrich Fink

5. September 2013

Weihe eines jüdischen Friedhofs für ermordete KZ-Häftlinge
in Brandenburg

Juli-Aug. 2009

Der Rabiner Menachem Halewi Klein aus Frankfurt am Main und Peter Fischer vom Zentralrat der Juden ließen einen Sarg mit sterblichen Überresten ermordeter KZ-Insassen in ein Grab.

Zum 65. Jahrestag des Massenmordes soll im Februar 2010 der ermordeten Juden von Jamlitz-Lieberose in Staakow von Klaus D. Grote ein Gedenkstein aufgestellt werden.

Am 16. Juni diesen Jahres wurde in einer Waldlichtung an der Chaussee zwischen Jamlitz und Guben ein jüdischer Friedhof eingeweiht. Ein ungewöhnliches Ereignis an einem ungewöhnlichen Ort im Brandenburger Landkreis-Spree-Neiße. Denn es gibt hier weder eine jüdische Gemeinde, noch eine Synagoge. Doch im Februar 1945, als alliierte Truppen schon auf deutschem Boden für die Befreiung vom Faschismus kämpften, ermordeten SS-Wachmannschaften an diesem Ort 589 KZ-Häftlinge des Außenlagers Lieberose. Sie veranlassten Bewohner benachbarter Dörfer, die Leichen der jüdischen Häftlinge aus Osteuropa in der Kiesgrube bei Jamlitz zu verscharren.

In Lieberose-Jamlitz befand sich eines der vielen Außenlager des KZ-Sachsenhausen. Ein Knoten in einem mörderischen Netz von Stätten, an denen Herrenmenschen in SS-Uniform bis zuletzt »Untermenschen« aus vielen Nationen vernichteten. Die meisten Häftlinge hier stammten aus Ungarn und Polen. Wer weiß, wo es im brandenburgischen Sand noch weitere unentdeckte Massengräber als verborgene Signatur der Hitlerzeit gibt, denn die SS hatte damals innerhalb von zwei Tagen mindestens 1342 jüdische KZ-Insassen von Sachsenhausen-Lieberose ermordet. Der Verbleib von 753 der Opfer ist bis heute ungeklärt. Die Suche nach weiteren Massengräbern in der Umgebung Lieberoses war im Mai 2009 erfolglos abgebrochen worden. In der Kiesgrube waren bereits 1958 und 1971 Gebeine zwecks Identifikation exhumiert worden. Leider wurde der Fundort damals nicht zu einer Gedenkstätte erklärt. Seitdem ist nicht nur Jahrzehnte lang das sprichwörtliche Gras darüber gewachsen, sondern sogar ein Wald. Die mörderische Vergangenheit des berüchtigten Lagers Lieberose-Jamlitz bezeugt ein kleines Museum.

Zur Feier angereist war Gabriel Rodan aus Ungarn, der mit seinem Vater in Lieberose interniert war. Er berichtete: Die schwere Arbeit, mangelhafte Ernährung und fehlende ärztliche Hilfe bei Krankheiten hätten nur wenige überleben lassen. Vater und Sohn Rodan überlebten sogar den Todesmarsch von Jamlitz nach Sachsenhausen. Rodan war damals 14 Jahre alt. Glücklicherweise hatte er sich als älter ausgegeben, denn Kinder und Kranke wurden sofort nach Auschwitz transportiert.

Nun kann dieser Ort der Schande nicht wieder dem Verschweigen anheim fallen: »Erde bedecke nicht ihr Blut«. Dieser Satz aus dem biblischen Buch Hiob ist am Eingang des Friedhofes in fünf Sprachen zu lesen. Adam König, selbst Überlebender von Sachsenhausen und Auschwitz, bezeichnete in seiner Rede den Friedhof als spätes aber eindrückliches Mahnmal gegen faschistische Barbarei. Es gehe jetzt um die Aufgabe, die grausamen Ereignisse besonders jungen Menschen so zu vermitteln, dass sie als Mahnung der Geschichte im Gedächtnis bleiben.

Die Rede des französischen Präsidenten des Internationalen Sachsenhausen Komitees, Piere Gouffault, wurde vom Vizepräsidenten Roger Borgage verlesen: »Dem Präsidenten ist es wichtig, dass ein Rabbiner in jüdischer Liturgie unter Gebet und Psalmlesung diesen Mordort zu einem offiziellen Platz in der deutschen Geschichte gemacht hat. Er ist nun die Ruhstätte von ermordeten Juden.«

Weil aber Erinnern an den Faschismus bedeutet, sorgfältig zu unterscheiden, was unter anderen Bedingungen Menschen angetan worden ist, mahnte er ausdrücklich die Brandenburgische Landesregierung, dass mit der Totalitarismusthese diese ermordeten Juden nicht mit jenen Nazitätern gleichgesetzt werden dürfen, die nach dem 8. Mai 1945 im Speziallager Nr. 6 in Lieberose unter harten Haftbedingen gestorben sind: » An diesem Tag, an diesem Ort möchte ich im Namen des Internationalen Sachsenhausen Komitees eine feierliche Warnung erteilen: Ihre Erinnerung darf nicht durch ein empörendes Amalgam geschändet werden, wie jenes, das dem Konzept der brandenburgischen Landesregierung zu Grunde liegt und gegen das wir entschieden unsere Stimme erheben. Selbst wenn wir Verständnis für einige der im Speziallager Nr. 6 internierten Gefangenen empfinden, ist es unwürdig, ihr Schicksal mit dem Schicksal derjenigen zu vermischen, die im Außenkommando des KZ-Sachsenhausen, welches direkt mit dem Vernichtungslager Auschwitz verbunden war, massakriert wurden. Ihre Erinnerung soll ewig wach bleiben.«