Ermutigend menschlich

geschrieben von Dr.Seltsam

5. September 2013

Gerade noch im Kino, unbedingt ansehen: der Film die
»Fälscher«

Mai-Juni 2007

Die Fälscher

Deutschland 2006

98 Minuten

Kinostart März 2007, läuft noch in vielen Programmkinos

Buch und Regie Stefan Ruzowitzky

Mit Karl Markovics, August Diehl u.a.

Warum die Stasischmonzette „Das Leben der anderen“ alle Filmpreise einheimste und der KZ-Film „Die Fälscher“ bisher keinen, das ist, wenn es dessen noch bedurft hätte, ein Beweis für die ganz selbstverständliche unbewusste rechte Grundeinstellung unserer Medienwarte und Kulturfunktionäre. Der Film ist gut, hat ein „großes Thema“, enthält großartige Schauspielerleistungen und intelligente Lösungen gewisser ästhetischer Probleme und der Hauptdarsteller Karl Markovics versteht es mindestens ebenso gut wie Ulrich Mühe beim Abhören, die widerstreitenden Gefühle angesichts der Naziverlockungen auf seinem lebensharten Gesicht abzubilden. Das Problem ist wohl, dass er ein Film gegen die Nazis ist und nicht gegen die DDR.

Ein Unterschied bleibt bestehen: „Das Leben der anderen“ ist ein Märchen mit Bezügen zur Orwellschen US-Realität, „Die Fälscher“ dagegen erzählt eine wahre historische Begebenheit, das „Unternehmen Bernhardt“. Um die Wirtschaft ihrer Kriegsgegner zu unterminieren, errichteten die Nazis mit qualifizierten Gefangenen eine umfangreiche Falschgeldproduktion und nur die Verzögerungstaktik der Kommunisten hat verhindert, dass dieser Plan in vollem Umfang gelang. Diese Geldfabrik befand sich im Konzentrationslager Sachsenhausen und es ist eine der großen Unbegreiflichkeiten unserer Zeit, warum dieser Film in der Gedenkstätte nicht täglich gezeigt und das bekannte historische Areal nicht speziell gekennzeichnet wird. Eine bessere Connection zur Tagesaktualität, die wir uns im Interesse jugendlicher Besucher dort immer wünschen, lässt sich kaum denken. Ja, sogar eine groß aufgemachte Filmgala zur Promotion dieses wichtigen Films wäre wünschenswert gewesen. Der Einwand, dass nicht alle Einzelheiten der Story total genau stimmen, ist bei einem Filmkunstwerk obsolet – und spielte übrigens beim „Leben der anderen“ auch keine Rolle

Um gleich mit meiner Lieblingsszene zu beginnen, muss ich hier verraten, dass die Hauptfigur, der kriminelle Geldfälscher, das KZ überlebt und danach mit einer gehörigen Menge der exzellenten Blüten nach Monte Carlo fährt und binnen einer Nacht Millionen verspielt. Ich sehe in diesem „unvernünftigen Verhalten“ die Intensität der eingesperrten Träume gespiegelt, die überlebensnotwendige Sehnsucht nach Rausch, nach Verschwendung, nach Freiheit. Die wenigsten Gefangenen haben nach ihrer Befreiung so etwas getan, geträumt hat wohl jeder davon. Als das Geld weg ist, bekommt er, wie bei guten Verlierern üblich, von der Direktion des Casinos eine Flasche teuren Champagner und setzt sich einsam an den Meeresstrand. In diesem Moment ist er, nach allen Kriterien der modernen neoliberalen Dumpfjupppies, ein absoluter Verlierer. Doch die schönste Frau des Abends kommt zu ihm, findet ihn interessant, teilt seine Trauer und tanzt mit ihm zu leiser Musik am Meeresstrand. „All das schöne Geld!“, klagt sie, und er, voller Lebensmut: „Wir machen uns einfach neues!“ So bleibt er am Ende Sieger über Nazis, KZ und Kapitalismus, über psychotische Ängste, Schuld und Qualen der Vergangenheit, und wir hollywoodverwöhnten Zuschauer lieben natürlich die Sieger, vor allem wenn sie von unserer Seite stammen. Mit der anarchistischer Grandezza eines Kleinkriminellen wird er es sich auch in Zukunft „richten“, wie schon in Sachsenhausen. Seine menschliche Substanz haben die Schergen nicht zerstören können. Ich finde das nicht kitschig, sondern ermutigend.

Wie in jedem KZ-Film liegt das ästhetische Hauptproblem in der Frage: Wie gehe ich mit den Nazigräueln um? Wenn sie so geschildert werden, wie die Opfer sie erlebt haben, bekommt der Film eine Schlagseite ins Sadistische und erreicht mit Sicherheit die falsche Klientel der SM- Pornografen. Verschweige ich aber Tatsachen, lande ich bei der harmlosen Ästhetik der TV-Soaps, in denen wohlgenährte Statisten mit gutem Gebiss ins Gas wandern und dabei beten. Man muss also für die Wahrheit einen „Spiegel“ schaffen, damit sie für heutige Zuschauer verständlich und erträglich wird. Dieses Problem wird in den „Fälschern“ auf neue Art gelöst: Die hölzerne Trennwand zum Rest des Lagers wird zur Projektionsfläche des Furchtbaren, das sich auf der anderen Seite abspielt. Während die privilegierten Spezialgefangenen Tischtennis spielen, werden jenseits der Wand die anderen gejagt und erschossen. Man kann die Angst unserer Helden nachempfinden, gerade weil sie nicht wirklich gezeigt, sondern nur in unserem Kopf hergestellt wird neben dem unerbittlichen Beschluss: Nie wieder! Eine gute Idee, aber ob es dafür einen Oscar gibt? Ich plädiere immer noch für einen alternativen Antifa-Filmpreis, für den dieser Streifen mein erster Kandidat wäre.