Fälscher am Werk

geschrieben von Heinrich Fink

5. September 2013

Wohin steuert die Geschichtspolitik dieses Landes?

Jan.-Feb. 2008

Der inzwischen für die Gedenkstättenarbeit fast klassisch gewordene Satz von Bernd Faulenbach: »Nationalsozialistische Verbrechen dürfen nicht relativiert werden, SED-Vergangenheit nicht bagatellisiert werden«, wurde auch vom Staatsminister für Kultur, Bernd Neumann, zur Einleitung der öffentlichen Anhörung zur neuen Gedenkstätten-Konzeption der Bundesregierung zitiert. Er pointierte ihn geradezu als Leitmotiv der Arbeit des Kulturausschusses an dem vorliegenden Entwurf. Auf mich wirkte die Beschwörung Neumanns allerdings eher wie ein »Deckel der Bosheit«. Denn der vorgelegte Entwurf entspricht voll der Grundlinie der inzwischen herrschenden Regierungspolitik. Gemäß der Totalitarismus-Doktrin werden vom Vorwort bis zum Schlusswort Nationalsozialismus und Sozialismus in der DDR gleichgesetzt. Zwar wird ein »differenzierter Umgang mit den beiden totalitären Systemen in Deutschland« gefordert, wobei »Unterschieden zwischen NS-Terrorherrschaft und SED-Diktatur Rechnung zu tragen sei«. Doch schon die Gleichstellung in der Formulierung zeigt, wohin die Konzeption eigentlich zielt.

Die DDR wird zum Unrechtsstaat erklärt und ein Diktaturenvergleich wird als selbstverständliche Voraussetzung postuliert. Doch genau damit werden die Verbrechen der Nazidiktatur relativiert. Für das faschistische Deutschland wird in der Konzeption die irreführende Selbstbezeichnung »nationalsozialistisch« übernommen. Die DDR wird dagegen mit Bezeichnungen wie »kommunistische Diktatur«, oder »SED-Diktatur« belegt. Die Zeit des Faschismus und des antifaschistischen Widerstandes wird in der Konzeption auf knapp zwei Seiten abgehandelt, der sowjetischen Besatzungszone, bzw. der DDR, werden dagegen fast acht Seiten eingeräumt. Entsprechend soll auch die personelle Zusammensetzung der Gremien aussehen, die über künftige Mittelvergabe zu beraten haben. Über das unterschiedliche Volumen staatlicher Förderung ist damit schon entschieden, bis hin zur expliziten Formulierung, dass es zusätzliche Vorhaben zur Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur geben wird.

Am deutlichsten wird die Gleichsetzung der »beiden Diktaturen« bei den »Orten doppelter Vergangenheit« Das Paradigma liefert dabei die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten mit der im Aufbau befindlichen »Gedenk- und Begegnungsstätte in der Potsdamer Leistikostraße«, in der »das brutale Regime des sowjetischen Geheimdienstes in der SBZ und in der späteren DDR« umfassend dokumentiert werden soll. In der Stadt Brandenburg will man ab 2009 in einem neuen, vier Millionen teuren Dokumentationszentrum »beide Diktaturen zusammen denken« und Justizmorde in Brandenburg zu Zeiten des Nationalsozialismus und in der DDR dokumentieren.

Dagegen regt sich bereits öffentlicher Widerstand, zum Beispiel in einer Erklärung der Arbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland Die »verschleiernde Rede von den beiden totalitären Systemen trage zur Klarheit nicht bei«, heißt es dort unter Bezug auf die geforderte »Parallelisierung der Erinnerung an den DDR-Kommunismus und den Nationalsozialismus«. Gerade in diesem Punkt sind »eine den historischen Tatsachen entsprechende unzweideutige Sprache und Haltung erforderlich.« Kategorisch wird von den Gedenkstättenleitern gefordert: »Der Entwurf muss entsprechen überarbeitet werden.«

In der Beratung des Internationalen Buchenwald- Komitees erklärte ihr Präsident Bertram Herz, dass die internationale Lagergemeinschaft eine Delegitimierung des Antifaschismus der DDR nicht zulassen würde. Sie werde den Protest der in deutschen Konzentrationslagern gequälten Kameraden direkt bei Bundespräsident Köhler und Bundeskanzlerin Merkel vortragen. Der Geschichtsfälscherskandal müsse auch den Botschaftern aller Länder, aus denen die Häftlinge stammen, bekannt gemacht werden. Der Minister-Entwurf sei eine Missachtung der Opfer und der Widerstandskämpfer gegen den Faschismus.

Eine Aufgabe des im Mai stattfindenden Kongresses der VVN-BdA muss es sein, neben der Ablehnung des vorgelegten Gesetzentwurfes eine öffentliche Diskussion über die Geschichts- und Gedenkstättenpolitik dieses Landes zu initiieren.