Feierstunde für den Krieg

geschrieben von Tanja Girod

5. September 2013

Militaristen und Antimilitaristen begegneten sich im Bundestag

Juli-Aug. 2009

Am 4. August 1914, dem Tag, an dem der Erste Weltkrieg begann, verkündete Wilhelm der Zweite in seiner zweiten Balkonrede, dass er von jetzt an keine Parteien mehr kenne, sondern nur noch Deutsche. Damit hob er den pauschalen Vorwurf an die deutsche Sozialdemokratie auf, »Rote« seien vaterlandslose Gesellen. Denn die hatten im Parlament der Aufnahme von Kriegskrediten zugestimmt und damit den Ersten Weltkrieg möglich gemacht.

80 Jahre später, nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Verschwinden aller Feindbilder, fehlte der Bundeswehr eine Art Legitimation ihrer Existenz, aber dieses Vakuum wurde schnell durch die Institution des Auslandseinsatzes aufgefüllt.

Schade, dass das Parlament von seiner Macht, Krieg zu verhindern, heute wie gestern keinen Gebrauch macht. Die historische Möglichkeit, nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers sowohl mit der unrühmlichen militärischen Vergangenheit abzuschließen, als auch das Profitieren der deutscher Rüstungsindustrie an Kriegsschauplätzen in aller Welt zu verhindern, wurde jedenfalls bewusst verpasst. Die unselige Verbindung zwischen Parlament und Armee setzt sich dagegen bis heute ungebrochen fort. Wenn es darum geht, deutsche Soldaten in alle Welt zu verschicken, sind Schwarze, Gelbe und Grüne willig dabei. Auch wenn die Armee heute nicht mehr Reichswehr heißt, sondern Bundeswehr – an der Sache hat sich seit 1914 nichts geändert. In dieser traurigen Tradition wurde am 30. Juni im Gebäude des Deutschen Bundestages, im Foyer des Paul-Löbe-Hauses, eine Ausstellung mit dem Titel: »15 Jahre Auslandseinsätze« eröffnet.

Eigentlich war sie nicht für den Bundestag gedacht, sondern soll der politischen Bildung der Truppen im Felde dienen. Nach Meinung ihrer Macher ist sie aus ganz pragmatischen Gesichtspunkten nötig. Und: »Sie soll natürlich keine Jubelausstellung sein.« So weit immerhin reicht der gesunde Menschenverstand der Initiatoren. »Man wolle auch keine Propagandaschlacht schlagen.« Angesichts der Tafelinhalte wäre dies auch eher Indiz für eine Selbstüberschätzung gewesen. Das wiederholte Beharren der Redner darauf, dass die Bundeswehr fest in der Gesellschaft verwurzelt sei, erweckte allerdings bei mir den Eindruck, dass nach wie vor ein Legitimationsproblem existiert.

Viele der Gäste der Veranstaltung trugen Uniform und waren nach Dienstgrad nebeneinander aufgestellt. Es spielte eine Militärkapelle, dicke Klarinettisten mit Wülsten zwischen den goldenen Uniformknöpfen saßen da und warteten geduldig auf das Ende der Reden und ihren nächsten Einsatz. Ein Bild, das an George Grosz erinnerte.

Zum Glück aber ist unsere Demokratie nicht nur von einer unreflektierten Verbindung von Parlament und Armee geprägt sondern auch von Meinungspluralismus. So wurde die Ausstellungseröffnung durch Antimilitaristen von »Gelöbnix« gestört. Mitten in die Rede von Minister Franz Jung ließen sie Flugblätter mit der Aufschrift »15 Jahre Auslandseinsätze = 15 Jahre Krieg« regnen, entrollten ein Transparent mit der Losung: »Wir geloben zu rauben und zu morden« und warfen in Referenz an den Schuhwerfer von Bagdad, der im Dezember 2008 George W. Bush angegriffen hatte, bunte Badelatschen auf die Versammelten. Die steife Rede wurden durch hallende Sprechchöre ihrer Feierlichkeit beraubt – der Sicherheitsdienst war fast 25 Minuten lang damit beschäftigt, mit Würde und Nachdruck für Ordnung zu sorgen. Er machte eine denkbar schlechte Figur dabei. Ein unerwartetes und lustiges Ende dieser eher peinlichen Veranstaltung. Die Effizienz der Störaktionen der Antimilitaristen überstieg deutlich die des Bundestagssicherheitsdienstes beim unauffälligen Befrieden der Lage.