Gedanken am Antikriegstag

geschrieben von Gerd Deumlich

5. September 2013

Deutschland ist wieder Kriegsmacht

Sept.-Okt. 2006

Gedächtnisstörung

Das Auftaktkonzert des Kunstfestes Weimar im August stand unter dem Motto „Gedächtnis Buchenwald“. Festredner Hermann Schäfer, stellvertretender Bundesbeauftragter für Kultur und Medien, brachte es fertig, in seiner Festrede das Konzentrationslager Buchenwald überhaupt nicht zu erwähnen. Er zog es vor, über die Vertreibung der Deutschen nach 1945 zu sprechen. Das Publikum mochte sich erfreulicherweise mit dieser neuen Art „Erinnerungskultur“, Faschismus und Krieg betreffend, nicht anfreunden. Lautstark machte es dies deutlich und erzwang so einen vorzeitigen Abbruch des Vortrags.

Seit über zehn Jahren, mit der Beteiligung am NATO-Angriff auf Jugoslawien, ist Deutschland wieder eine Kriegsmacht. Auslandseinsätze der Bundeswehr stehen bei den Regierenden im Selbstverständnis ihrer weltpolitischen Rolle ganz obenan. Kanzler Schröder rühmte sich zwar der „Enttabuisierung des Militärischen“, doch es blieb ein bohrendes Problem: Müsste sich Deutschland nicht mit Rücksicht auf geschichtliche Belastungen militärisch zurückhalten – oder gerade wegen der Hypothek des Faschismus an „friedenserzwingenden“ NATO-Kriegen, auch zu „humanitären Interventionen“ verklärt, teilnehmen?

Diese Frage war keineswegs durch militärische Handstreiche entschieden. Sie stellt sich aktuell zugespitzt durch das Ansinnen, deutsches Militär in eine internationale Streitmacht, stationiert in einer „Sicherheitszone“ zwischen Israel und Libanon, einzubeziehen.

Kanzlerin Merkel windet sich noch herum mit der Ausflucht: „Darüber reden wir, wenn es soweit ist“. Wird sich die Öffentlichkeit so billig hinhalten lassen? Die Herausforderung ist greifbar nahe. Für den CDU-Militärminister Jung und andere wie den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck steht längst fest: Deutschland darf sich da nicht heraushalten, zumal der israelische Regierungschef Olmert zum Mitmachen eingeladen hat. Ist damit die mögliche Peinlichkeit hinfällig, dass deutsche Soldaten gegen Israelis vorgehen müssten? Die „Einladung“ besagt: Eine internationale Truppe soll sich nicht friedensstiftend zwischen die verfeindeten Seiten stellen, sondern nachholen, was die israelische Armee nicht geschafft hat – die Hisbollah-Milizen zu erledigen.

Diese Denkrichtung entspricht der wahnwitzigen Vorstellung, die auch die Hisbollah wie die israelische Führung antreibt, dass sich der Konflikt mit militärischer Gewalt lösen ließe. Unbeirrt von den naheliegenden mörderischen Gegenbeweisen im Irak und in Afghanistan. Was löst es, dass Israel den Libanon in die Katastrophe bombt?

Es stimmt: Als historische Konsequenz aus dem Holocaust ergibt sich eine besondere Loyalität Deutschlands zu Israel. Aber welch ein Irrsinn, wenn das nichts anderes bedeuten darf, als nun auch militärisch die falsche Politik einer israelischen Führung zu unterstützen? Wenn deutsche Politik ignoriert: Es wird im Nahen Osten keinen Frieden geben, solange den Palästinensern ein eigener Staat gewaltsam verwehrt wird. Darum genügt es auch nicht, dass Deutschland sich dort militärisch heraushalten soll. Es muss mit Bedacht auf unsere Geschichte die politische Lösung unterstützt werden: Sofortiger Waffenstillstand – Rückzug der israelischen Truppen auf die Grenzen von 1967 – Gewährung eines selbstständigen Staates Palästina im Westjordanland und Gaza mit der Hauptstadt Ost-Jerusalem – Verhandlungen über Gefangenenaustausch und friedliche Beziehungen, die das Existenzrecht der Staaten Israel und Palästina dauerhaft begründen.

Wenn die deutsche Außenpolitik nicht diesen konstruktiven Kurs einschlägt, gibt es nun einen Grund mehr, am Antikriegstag 2006 die aktuellen Friedensforderungen laut anzumelden, und durch beständige Aktivität lauter Antikriegstage folgen zu lassen, bis sich die Vernunft durchsetzt.

Ein Nachtrag: Minister Jung hat sich jüngst erneut dafür stark gemacht, ein Denkmal für die „toten Soldaten“ der Bundeswehr zu errichten, die im Ausland ihr Leben verloren haben. Dafür wird es dann aber höchste Zeit, wenn der Bundeswehr ein weiterer, möglicherweise vsehr riskanter Einsatz bevorstehen könnte.