Gülle gegen Nazis

geschrieben von Ulrich Sander

5. September 2013

Dortmund beschloss erstmals Aktionsplan für Demokratie

März-April 2008

In Dortmund hat sich der Neofaschismus die größte Hochburg außerhalb der neuen Bundesländer geschaffen. Auch ohne Reisekader sind die Neonazis in der Lage, aus dem Stand bis zu 100 Personen zu aktivieren, die dann antisemitische Lieder in Fußballfangruppen anstimmen oder ganz öffentlich Flugblätter verteilen: „Hier steht ein Neonazi vor Dir“. Oder sie schmieren: „Dortmund ist unsere Stadt“ und überfallen unliebsame Lokale. Stadtverwaltung und Polizei ließen die Rechten lange gewähren.

Hat die Stadt nun endlich Lehren aus der Entwicklung gezogen? Immerhin wurde eine Forderung der Demokraten erfüllt: Es wurde im Rat ein „Aktionsplan für Demokratie und Toleranz, gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus“, ausgestattet mit jährlich 100.000 Euro, geschaffen. Im Rathaus wurde zu dem Thema eine Ansprechstelle eingerichtet.

Seit Jahren hatte sich eine Naziprovokation an die andere gereiht. Mal wurde gegen den Bau einer Moschee gehetzt, dann gegen den Bau der Bochumer Synagoge. Dennoch wurde die Gruppe der DVU im Rat von der Landesregierung aufgewertet, die drei Nazis bekamen Fraktionsstatus. Als eine Nazi-Infrastruktur mit Läden wie der „Donnerschlag“ entstand, wurden die Behörden erstmals munter, dies vor allem aber aufgrund mehrerer Demos der Antifaschisten. Nie richtig aufgeklärt wurde der politische Mord der Rechten an drei Polizisten und an einem Punker der Stadt.

Einen Höhepunkt erreichten die rechten Provokationen, aber auch die antifaschistischen Proteste, als erstmals für den 1. Mai 2007 von der NPD und niederländischen und deutschen „Kameradschaften“ ein demonstrativer Mai-Umzug mit braunem Volksfest angekündigt und dann in Szene gesetzt wurde. Tausende Polizeibeamte setzten das „Versammlungsrecht“ der Braunen durch. Gewerkschafter hörten es gern, dass der DGB-Vorsitzende im Bund und der im Bezirk, Sommer und Weber, heftig das Verbot der NPD und der Kameradschaften forderten. Doch zum wirkungsvollen Einschreiten mochten sie nicht aufrufen.

Dieses Einschreiten von Antifaschisten unterblieb aber nicht. Und dann schien der Protest sogar zu wirken: Hunderte von angereisten Faschisten saßen fest, da sie die entsprechende S-Bahn nicht benutzen konnten, – auf den Schienen hatten Unbekannte Feuer gelegt und die Polizei sah zu. Tausende Dortmunder Bürger protestieren mit den unterschiedlichsten Organisationen in Dortmund-Brackel nahe dem Aufmarschort der Rechten. Jeder Stolperstein wurde zum Mahnmal, das von VVN-Mitgliedern und Schülern geschützt wurde. Doch nun wirkten Polizei und Stadtwerke als aktive Hilfstruppe für die Rechten.

Diese Hilfe hatte schon in der Nacht zum 1. Mai eingesetzt, als im Auftrag der Polizei der Aufmarschort der Neonazis von Gülle gereinigt wurde, die von den Grünen dort ausgebracht worden war. Den Antifaschismus hatten sie aktuell höher gestellt als ökologische Bedenken. Die Hilfe der Polizisten für die Rechten machte auch nicht davor Halt, die von Kindern selbstgemalten Bilder für Toleranz und gegen Rassismus von der Marschroute zu entfernten. Die Liebedienerei für die Braunen fand ihren Höhepunkt, als Hunderte von NPD-Mitgliedern und andere Faschisten mit Bussen der Dortmunder Stadtwerke und unter Geleitschutz sicher zu ihrem geplanten Aufmarschort chauffiert wurden. An fassungslosen Dortmundern vorbei leistete „ihre“ Polizei mit „ihren“ Bussen den Braunen die Hilfe, die sie brauchten.

Danach verstummte die Auseinandersetzung nie mehr. Die Stadtratsmehrheit konnte nicht länger vor „Imageverlust“ warnen, der mit zuviel Beachtung für die Rechten verbunden sei. Der Hauptgrund für den Imageverlust der sechstgrößten Stadt Deutschlands wurde endlich in der Untätigkeit gegen die Nazis ausgemacht. In diesem Jahr wird der braune 1. Mai keine Wiederholung erfahren. Gewerkschaftler, Jugendring, Bündnis Dortmund gegen rechts, Kirchen, VVN-BdA und andere versicherten sich auf einer ersten antifaschistischen Jugendkonferenz gegenseitig der stärkeren Zusammenarbeit, auch auf der Grundlage des „Aktionsplans“ .