Gut ist anders

geschrieben von Axel Holz

5. September 2013

Abwertende Urteile und Vorurteile sind in Europa weit verbreitet

Mai-Juni 2011

Die Abwertung der Anderen. Eine europäische Zustandsbeschreibung zu Intoleranz, Vorurteilen und Diskriminierung. Andreas Zick, Beate Küpper, Andreas Hövermann, Friedrich-Ebertstiftung 2011, Forum Berlin.

Internet: http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de

Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung untersucht auch in diesem Jahr wieder in acht europäischen Ländern gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Hierzu wurden fremdenfeindliche, rassistische, antisemitische, antiislamische, sexistische und homophobe Einstellungen untersucht. Die Ressentiments beziehen sich auf abwertende Einstellungen und Vorurteile gegenüber Gruppen von Menschen, die von unterschiedlich starken Teilen der Bevölkerung als »anders«, »fremd« oder »unnormal« definiert werden. Trotz einer weiten Verbreitung gruppenbezogener Vorurteile in Europa fallen die Ressentiments in den einzelnen untersuchten Ländern unterschiedlich aus. Während das Ausmaß gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in den Niederlanden gering ausgeprägt ist, sind solche Vorurteile in Ungarn und Polen besonders prägnant. Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit und Rassismus finden sich in allen untersuchten Ländern gleichermaßen. Der Umfang an Antisemitismus, Sexismus und Homophobie ist allerdings national deutlich unterschiedlich ausgeprägt. Besonders beim Antisemitismus schwanken die Werte zwischen 17 Prozent der Befragten in den Niederlanden und 70 Prozent in Polen – etwa in der Unterstellung, Jüdinnen und Juden würden aus der Verfolgung während des Holocaust heute Vorteile ziehen. Mehr als die Hälfte der Europäer verurteilt den Islam pauschal als eine Religion der Intoleranz und etwa ein Drittel der Befragten, 1.000 Europäer, glaubt an eine natürliche Hierarchie zwischen Menschen verschiedener Ethnien. Zudem vertritt die Mehrheit in Europa sexistische Einstellungen, die auf eine traditionelle Rollenverteilung setzen. Besonders starke Unterschiede stellt die Untersuchung bei der Verbreitung homophober Vorurteile fest: gleiche Rechte werden Homosexuellen in den Niederlanden von 17 Prozent der Befragten verweigert, in Polen von 88 Prozent.

Menschenfeindliche Einstellungen sind nach Auffassung der Studie der SPD-nahen Stiftung nicht nur ein Ausdruck extremer Positionen in der Gesellschaft, sondern auch für das Versagen der etablierten demokratischen Kräfte. Daraus ergeben sich zwei zentrale Fragen: Wo nisten sich Ungleichwertigkeiten in die Mehrheitsgesellschaft ein und welche Strategien und Maßnahmen lassen sich daraus ableiten? Eine zentrale Rolle spielt dabei die sogenannte Überfremdungstheorie. Europa müsse sich fragen, warum sich das vielfach gelingende Alltagsleben von Ausländern und Migranten in Europa kaum in den Einstellungen gegenüber ZuwanderInnen niedergeschlagen habe. Populisten und Extremisten würden die Ursache hierfür in der mangelnden Integrationsbereitschaft von Migrantinnen sehen, während in Wirklichkeit interkulturelle Beziehungen vom Willen und den Möglichkeiten aller Beteiligten abhängen. Bezüglich der vorgefundenen Islamfeindlichkeit stellt die Studie ein erstaunliches Ausmaß an Distanz, Argwohn und Misstrauen dem Islam gegenüber fest, der auch in den osteuropäischen Ländern trotz einer verschwindend geringen Zahl von Muslimen vorhanden sei. Insbesondere in Deutschland und Polen findet sich eine Mehrheit der Befragten, die den Islam als nicht kompatibel mit der eigenen Kultur empfindet, arbeitet die Studie heraus. Dabei stellt die Untersuchung bestimmte Muster heraus: Diejenigen, die einer bestimmten Gruppe von Menschen abwertend gegenüberstehen, tun dies mit großer Wahrscheinlichkeit auch gegenüber anderen Gruppen. Autoritarismus und die Befürwortung sozialer Hierarchien verstärken solche Positionen. Diejenigen, die sich politisch machtlos fühlen, bevorzugen eine Führerfigur und sind im Durchschnitt menschenfeindlicher eingestellt. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt mit dem Alter im Durchschnitt zu und mit besserer Bildung und höherem Einkommen ab, wobei sich Männer und Frauen insgesamt kaum in ihren Einstellungen unterscheiden. Menschen mit abwertenden Einstellungen gegenüber schwachen Gruppen sprechen sich mit großer Wahrscheinlichkeit gegen Integration von Einwanderer aus und verweigern ihnen eine gleichberechtigte politische Teilhabe. Wichtige Schutzfaktoren vor gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sieht die Studie im Vertrauen in andere Menschen, im Kontakt mit Einwanderinnen und v.a. in einer positiven Grundhaltung gegenüber Diversität.