Hakenkreuz und Pappnase

geschrieben von Hans Canjé

5. September 2013

Neue Bücher über die Suche nach braunen Spuren in Köln,
Duisburg und anderswo

Jan.-Feb. 2011

Carl Dietmar/Marcus Leifeld: Alaaf und Heil Hitler. Verlag Herbig 2010, ca 224 Seiten, 25,65 Euro

Barbian/Kraume/Praetorius(Hg): Nationalsozialismus in Duisburg. Eine Einführung mit Bibliografie und Fotografien der Zeit. Klartext-Verlag Essen 2009, ca. 200 Seiten, 16,95 Euro

Horst Matzerath: Köln in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945. Geschichte der Stadt Köln, Bd. 12. Greven Verlag 2009, 657 Seiten, 60 Euro

Die am 11. November 2010 über die »Hochburgen des Frohsinns« hereingebrochene »5. Jahreszeit« ist ungewöhnlich lang; erst am 9. März 2011 ist Aschermittwoch und damit »alles vorbei«. Da bleibt noch mancher Abend, um sich mit allerdings wenig heiteren Büchern zu beschäftigen, die darstellen, wie das denn »damals« am Rhein zugegangen ist. Da erreichte 1937 eine Familie in Erfurt vom Rosenmontag in Köln eine Postkarte, die vom Absender mit »Alaaf und Heil Hitler« auf die Reise geschickt worden war. In ihrem Buch unter diesem Titel, haben der Historiker Carl Dietmar und sein Kollege Marcus Leihfeld eine Untersuchung darüber vorgelegt, wie das faschistische Regime bereits 1934 im Rosenmontagszug seine programmatische Rassenpolitik als belachtes Gaudi darstellten konnte. Da standen auf dem Karnevalswagen einige als orthodoxe Juden verkleidete Männer mit langen Bärten und Hüten. Auf einem Schild darüber war zu lesen: »Die letzten ziehen davon«. Auch in Büttenreden tobten sich Vertreter des »rheinischen Frohsinns« ähnlich staatstreu aus. Vom immer noch gepriesenen Widerstand, von einem Bollwerk gar, gegen die Instrumentalisierung des alten Brauchtums, so die Autoren mit einem Blick auch auf München (umfassend gleichgeschaltet), Mainz (noch 1937 intelligente systemkritische Reden) kann in Köln nur ganz vereinzelt gesprochen werden.

Horst Matzerath, bis 2002 Leiter des Kölner NS-Dokumentationszentrums, stimmt dieser Wertung in seinem Werk »Köln in der Zeit des Nationalsozialismus« in der Widerlegung des so lange gepflegten Mythos vom besonders herausragenden Kölner Widerstand zu. Laut Matzerath war die Instrumentalisierung des Kölner Traditionsbewusstsein für die Zwecke des Regimes erfolgreich. Der Autor spannt seinen Bogen allerdings weiter. Er beschreibt, wie in der Stadt, die vor 1933 keine »Hochburg« der Braunen war, die »Machtübertragung« verlief. Sehr schnell habe hier die Diskriminierung und Verfolgung von Regimegegner und missliebigen Minderheiten begonnen. Die Mehrheit der Bevölkerung sei erst im Verlaufe des Krieges auf Distanz zu den Machthabern gegangen. Mit der zunehmenden Opposition brutalisierte sich dann auch die Verfolgung. Seine – nicht nur für Rheinländer – empfehlenswerte Studie konstatiert: Die Geschichte der Jahre von 1933 bis 1945 wurde nach dem Krieg in Köln ebenso wenig aufgearbeitet wie in Deutschland insgesamt.

Die bei Klartext verlegte Publikation »Nationalsozialismus in Duisburg 1920-1945« kommt für die Stadt, die »früh und durchaus prominent mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus verbunden« war, zum gleichen Schluss. Die »eingehende Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit der Stadt« setzte erst in den 1980er Jahren ein, heißt es in dem Sammelband. Eine rund 400 Titel umfassende Bibliografie bietet dem interessierten Leser Literaturempfehlungen die ihm helfen können, einige Themen, die hier nur bruchstückhaft angesprochenen werden konnten, zu vertiefen. Das gilt für z. B. für den antifaschistischen Widerstand in dieser ausgesprochenen Arbeiterhochburg mit starken linken Parteien und Gewerkschaften. Hier wird in der Einführung auf eine seit 1997 existierende Ausstellung der VVN-BdA zu diesem Thema verwiesen, die jedoch »weder über hauptamtliches, wissenschaftlich oder pädagogisch geschultes Personal« verfüge.

Der vom Textteil her umfangreichste Komplex »Die Verfolgung der Juden unter der NS-Diktatur 1933-1945« zeichnet sich durch die Schilderung von »Fallbeispielen« aus. Eingeordnet in den Gesamtkomplex der zentralen Raubmordpolitik wird an Einzelschicksalen Umfang und Brutalität der Judenverfolgung deutlich. Im März 1933 begann die Jagd auf die »Ostjuden«, die, ohne dass sich die »arischen« Bürger darum kümmerten, auf offener Straße misshandelt wurden Es folgten 1938 die Novemberpogrome, Internierung, Deportation in die Vernichtungslager. In Litzmannstadt wurde die ganze Familie des Josef Jablonower ausgelöscht. Als Todesdatum für ihn und seine Frau ist amtlich der 8. Mai 1945 festgestellt.

Beim Betrachten der umfangreichen Bilddokumente kommt Brechts Kriegsfibel in den Sinn und sein Vers: »Und so was hätte fast die Welt regiert. Die Völker wurden sein Herr, jedoch…«