Heimliches Gedenken

geschrieben von Aus dem Englischen von Stephan Feldhaus.

5. September 2013

Von Maria González Gorosarri

Nov.-Dez. 2012

Tomasa Cuevas, eine kommunistische Kämpferin, veröffentlichte unmittelbar nach Francos Tod unter dem Titel »Testimonies of women in Franco’s prisons« eine Zusammenstellung der Erfahrungen von Frauen, die mit ihr im Gefängnis gewesen waren. Diese drei, im Selbstverlag herausgegebenen Bände, spielten allerdings keinerlei Rolle bei der Erforschung von Francos Unterdrückungssystem.

Gefangene Kämpferinnen mussten sich mit der Tatsache auseinander setzen, dass sie Bürgerinnen zweiter Klasse geworden waren. Nicht nur, dass das faschistische Regime sie verbannte, auch ihre männlichen Kameraden gingen ihren früheren Verpflichtungen nach. Die Militanz der Frauen wurde unter der Präsenz ihrer Ehemänner verborgen. Es wird immer noch behauptet, dass viele Frauen wegen des politischen Engagements ihrer Partner eingesperrt wurden. Jedoch verschleiert diese These den antifaschistischen Kampf der Frauen selbst. Ein Beispiel ist Amparo Barayón, 1936 hingerichtet, mittlerweile bekannt als »die Ehefrau des Schriftstellers Ramón J. Sender«.

Über antifaschistische Frauen, die in die politischen Kämpfe in Spanien 1936 gerieten, oder den Faschismus aktiv bekämpften, schweigt die Historie noch immer. Ihre Namen sind in der Geschichte verloren. Tatsächlich zeigt sich die Unterdrückung der Frauen in zweifacher Weise. Einerseits straften die Faschisten die Frauen dafür, dass sie in der Zeit der Republik die Grenzen ihrer gesellschaftlichen Rolle überschritten hatten: Sie nahmen ihnen die öffentliche Wahrnehmung als Arbeiterinnen und Kämpferinnen. Andererseits wurde ihr Beitrag zur antifaschistischen Sache geringgeschätzt, ihr Kampf unter der paternalistischen Parole eines »wichtigen Beitrags« zum Widerstand verbucht.

Frauengefängnisse passten nicht in Francos Konzept der Haftverbüßung. Sie sahen auch nicht wie Haftanstalten aus, die meisten waren Klöster. Eigentlich wurden Frauen gar nicht als politische Gefangene anerkannt. Daher wurden sie in Klöster und nicht ins Gefängnis gesteckt. Das bedeutete, dass sie weder Toiletten noch Duschen noch Betten hatten. Sie erhielten nicht mehr als ein Glas Wasser als Grundlagen für die persönliche Hygiene. Frauengefängnisse wurden aber auch nicht als Konzentrationslager betrachtet, obwohl ein Drittel der zur Arbeit gezwungenen politischen Gefangenen Frauen waren, sie insgesamt aber unter fünf Prozent der Inhaftierten ausmachten.

Im Ergebnis beschrieb Tomasa Cuevas die Frauengefängnisse als »Frauenlager«. Die Frauen wurden jahrelang in ihren Räumen eingesperrt. Sie wurden nur herausgelassen für Exekutionen, Zwangsarbeit, Vergewaltigungen durch Soldaten, den wöchentlichen Appell oder für gelegentliche Privatbesuche. Die Frauen schliefen während ihrer Gefangenschaft prinzipiell auf dem Fußboden. Angesichts der Überbelegung wurden jeder Frau (und ihrem Kind) lediglich anderthalb Fliesenbreiten zum Schlafen zugebilligt. Daher mussten sie auf der Seite schlafen.

Da Frauen nicht als politische Gefangene eingestuft wurden, waren Nonnen für ihre Umerziehung zuständig. Dementsprechend wurden die Frauen zusammen mit Prostituierten und sozialen Randgruppen gefangen gehalten. Einerseits hatte die Republik die Prostitution abgeschafft, da sie als sexistische Gewalt gegen Frauen galt. Francos Regime führte die Prostitution wieder ein, um »die Jungfräulichkeit guter Frauen zu bewahren«. Tatsächlich erhielten Frauen keine Arbeit, wenn sie von den Faschisten verfolgt worden waren. In ähnlicher Weise wurden Männer, die auf republikanischer Seite gekämpft hatten, unter dem sogenannten »Hunger-Pakt« nicht beschäftigt. Im Ergebnis, so wird geschätzt, mussten im Jahre 1940 etwa 200.000 Frauen ihren Körper an die Faschisten verkaufen. Nichtsdestoweniger wurde Prostitution nur im Rahmen von Zuhälterei geduldet. Daher wurden selbständige Frauen, die der Straßenprostitution bezichtigt wurden, ins Gefängnis gesteckt. Andererseits etablierte das faschistische Regime auch die Strafbarkeit der Abtreibung. Dementsprechend machten Frauen, die eine Abtreibung hinter sich hatten, die drittgrößte Gruppe unter den Insassinnen aus.

Außerdem wurden die Frauen in den Klöstern mit ihren Kindern verwahrt. Diese Kinder waren nicht registriert. 1940 wurden alle Kinder über drei Jahre zum Verlassen der Gefängnisse gezwungen, obwohl ihre Mütter dort noch für lange Zeit bleiben mussten. Diese Kinder, die niemanden hatten, der sich um sie kümmerte, wurden der Fürsorge übergeben. Kinder, die sich nicht an ihren Namen erinnern konnten, erhielten einen neuen. In der Folge verschwand-en etwa 30.000 republikanische Kinder. Einige wurden gemäß Doktor Vallejo-Nágeras Politik der »sozialen Hygiene« von Falangisten-Familien adoptiert. Es wurde behauptet, dass eine katholische Erziehung diese Kinder davon abhalten würde, wie ihre Eltern zu »Marxisten« zu werden.

Schließlich mussten die Frauen – im Gegensatz zu den Männern – nach ihrer Gefangenschaft mindestens 600 Kilometer von ihrer Heimatstadt entfernt leben. Auf diesem Wege zersprengte der Faschismus erfolgreich den Kern der Zivilgesellschaft. Viele Frauen schufen sich autonome Netzwerke der Solidarität, um gerade entlassenen Kameradinnen zu helfen, ihr Leben in einer feindseligen Umgebung zu meistern.

In den Vorständen von politischen Parteien oder Gewerkschaften wurden nach 1939 keine Frauen akzeptiert, obwohl sie zuvor welche geführt hatten. Frauen hatten eine nachgeordnete Rolle zu spielen, sie wurden wieder zu einfachen Mitgliedern. Gleichzeitig breitete sich eine Art innerer Verrat aus: als Franco die Zivilehe einschränkte, wurden viele inhaftierte Frauen von ihren Männern verlassen. Folglich wussten Frauen, die sich in den fünfziger Jahren gegen die Diktatur engagierten, nichts über die Kämpfe, die von der vorherigen Generation ausgetragen worden waren: Die Geschichte behandelte diese Antifaschistinnen im besten Fall als heimliche Kameradinnen.