Hofberichterstattung

geschrieben von Regina Girod

5. September 2013

Die Journaille erfindet einen »starken Mann«

Jan.-Feb. 2011

Wir finden die gutt!, titelte »Bild« anlässlich der unsäglichen Inszenierung des Weihnachtsbesuches von Verteidigungsminister zu Guttenberg nebst Gattin bei den deutschen Truppen in Afghanistan. Wen interessiert da noch, dass 70% der Deutschen den Kriegseinsatz ablehnen? Das war gestern – heute haben wir ihn gutt zu finden. Irgendwann muss schließlich Schluss sein mit dem demokratischen Gewäsch. Der ungeliebte EURO steckt in der Krise, Deutschlands Wirtschaftsinteressen werden am Hindukusch verteidigt und in den Hinterstübchen wächst die Sehnsucht nach einem neuen starken Mann. Das vermelden jedenfalls die Studien zur Befindlichkeit der Deutschen, also muss einer her! Und wer stünde besser dafür ein als ein Spross aus altem Adel? Wenn schon rückwärts, dann richtig. Tauschen wir die hängenden Mundwinkel der protestantischen Kanzlerin, die keiner mehr so gerne sehen will, gegen die Klappe eines Schönlings ein, dem nur noch ein paar Schmisse fehlen. Zur Belohnung winkt ein neues »Wir- Gefühl«.

Wer immer meinte, der vielbeschworene starke Mann, herbeigeredet um die lästigen Reste der Demokratie nonchalant abzuschaffen, müsse zumindest Glatze tragen, sieht sich eines Besseren belehrt. Populismus ist angesagt. Schmalztolle und Smoking, manchmal natürlich auch ein fescher Kampfanzug. Homestories vom Familiensitz und die blonde Gattin darf im privaten Fernsehsender Kinderschänder jagen. Die passenden Bilder für jedes vorgefertigte Bedürfnis garnieren unseren Frühstückstisch. Täglich frisch.

Ganz schön ungeniert, dieser Angriff auf die demokratische Verfasstheit, tief unter der Gürtellinie jeder Vernunft. Die Macht der Medien probt den Großangriff auf die Höhen der Politik. Silvio Berlusconi lässt grüßen.