»Hotel Silber« bleibt

geschrieben von Janka Kluge

5. September 2013

Stuttgart: Lern- und Gedenkort in ehemaliger Gestapo-Leitstelle

Sept.-Okt. 2011

Mehr Informationen kann man auf der Internetseite der »Initiative Lern- und Gedenkort `Hotel Silber´« erhalten: www.hotel-silber.de

Stuttgart war in den letzten zwei Jahren in erster Linie wegen des geplanten Neubaus des Bahnhofs in den Schlagzeilen. Es gibt aber ein Bauvorhaben, das in der Stadt ähnlich umstritten ist. Der Kaufhauskonzern Breuninger plant, in der Innenstadt ein riesiges Areal aufzukaufen und abreißen zu lassen. Auf dem Gelände soll dann ein neues Kaufhaus mit einem Luxushotel entstehen. Zu dem Komplex der abgerissen werden soll, gehört auch das ehemalige »Hotel Silber«. Nachdem das Hotel schließen musste, weil die Reisenden nicht mehr mit der Postkutsche in die Stadt kamen, beherbergte das Haus die Postdirektion und später die Polizeidirektion. Hier war ab Mitte der zwanziger Jahre die Politische Polizei untergebracht. Sie war schon in der Weimarer Republik in erster Linie damit beschäftigt, kommunistische Funktionäre zu verfolgen. Nach der Machtübertragung an die Nazis konnte sie so jahrelange Erfahrungen einbringen. Die Politische Polizei von Württemberg / Hohenzollern war dem Geheimen Staatspolizeiamt in Berlin unterstellt. So hielt die Gestapo offiziell Einzug in das Hotel Silber. Es beherbergte sowohl die Gestapo der Stadt Stuttgart, als auch die Gestapo Leitstelle für das Land Württemberg / Hohenzollern. Hier wurden alle Verhafteten aus Stuttgart hergebracht, viele von ihnen wurden auch hier gefoltert. Gleichzeitig wurde hier die Verfolgung und Deportation der jüdischen Bevölkerung organsiert. Opfer der Schreibtischtäter der Leitstelle waren auch Homosexuelle, kirchliche Widerstandskämpfer und sogenannte Asoziale. Neben dem Hotel Silber betrieb die Gestapo-Leitstelle ein eigenes Gefangenenlager in Rudersberg. In diesem KZ ähnlichem Lager waren Gefangene untergebracht, von denen die Gestapo annahm, sie könnten sie für spätere Ermittlungen noch gebrauchen. Noch in den letzten Tagen vor der Befreiung vom Faschismus hat die Gestapo im Keller des Hotels Silber Gefangene hingerichtet.

Nach der Befreiung residierte die Polizei weiter in dem Haus. Viele Kommunisten, die bereits während der NS-Zeit hier inhaftiert waren, sind im Zusammengang mit dem KPD- Verbot hier wieder verhört worden, zum Teil von denselben Beamten wie früher.

Seit den sechziger Jahren haben Antifaschisten immer wieder gefordert, in dem Gebäude eine Gedenkstätte zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus einzurichten. Nach langen Auseinandersetzungen wurde in den siebziger Jahren im Eingangsbereich eine Gedenktafel angebracht. Zu dieser Zeit waren allerdings Teile eines Ministeriums in dem Haus untergebracht, so dass die Gedenktafel keine öffentliche Wirkung erzielen konnte.

Nachdem die Pläne des Hauses Breuninger, das »Hotel Silber« komplett abzureißen, bekannt wurden, hat sich sehr schnell eine Initiative zur Gründung einer Gedenkstätte gebildet. Inzwischen gehören mehr als 25 Gruppen und Vereine dieser Initiative an. Zum ersten Mal ist es in Stuttgart gelungen, alle, die sich in der Stadt mit Erinnerungskultur beschäftigen, an einen Tisch zu bekommen. Die letzten beiden Jahre waren geprägt von vielfältigen Aktionen, die die Geschichte des Hauses in der Öffentlichkeit bekannt gemacht haben.

Der Druck wurde so groß, dass selbst die ehemalige Landesregierung unter Ministerpräsident Mappus eine Gedenkstätte in dem Neubau zugesagt hat. Nach der Landtagswahl in diesem Frühjahr hat die neue Regierung in einer Notiz zum Koalititionsvertrag vereinbart, dass das »Hotel Silber« erhalten bleiben und in ihm eine Gedenkstätte entstehen solle. Die Initiative steht nun vor der Aufgabe, die Ankündigung der neuen Landesregierung kritisch zu begleiten, zumal ihre Forderungen weiter gehen. Neben einer reinen Gedenkstätte soll nach ihren Plänen auch ein Lernort entstehen, damit aus der Vergangenheit für die Zukunft gelernt werden kann.