»Kräfte der Verderbnis«

geschrieben von Thomas Willms

5. September 2013

Die NPD nach Sachsen-Anhalt

Mai-Juni 2011

Nach den Wahlen im April wird gerätselt, warum die NPD den Einzug in den Landtag von Sachsen-Anhalt nicht geschafft hat. War es die »Junker Jörg-Affäre«, bei der wenige Tage vor der Wahl berichtet wurde, dass sich der NPD-Spitzenkandidat freimütig über das Bombenbauen ausgelassen haben soll? War es die leicht erhöhte Wahlbeteiligung und wer oder was hat diese dann herbeigeführt? Die NPD-Kader in Magdeburg und Berlin zeigen sich jedenfalls frustriert. Man habe im Wahlkampf doch alles richtig gemacht; Themen und Zuspitzungen, Personen, Materialien, alles habe gepasst entgegnet man auch innerparteilichen Kritikern.

Auf diese bezieht sich gerne die Presse, hoffnungsfroh jedes Anzeichen für ein Zerbrechen der Partei sezierend. Die Realität ist dagegen ernüchternd. Denkt man an zerstrittene Parteien, fallen einem gleich mehrere ein, bei denen es übler zugeht als bei der NPD. Bedenkt man die prinzipielle Fragilität faschistischer Gruppierungen, sind deren derzeitige Kabalen sogar eher zurückhaltend. Die Antwort auf die Eingangsfrage dürfte sein, dass die NPD es im Kräftemessen von Meinungen, Positionen und Mobilisierungen diesmal einfach nicht geschafft hat, ohne dass es dafür eines besonderen Grundes bedürfte.

Was heißt aber überhaupt »Sieg« oder »Niederlage«? Knapp unter 5% bedeuten Null Parlamentssitze. Der NPD sind damit große und wichtige Ressourcen an Personal und Geld entgangen. Sie hat es nicht geschafft, sich von der Ausnahme zur Regel durchzukämpfen, einen Stützpunkt in einem dritten Landesparlament einzurichten. Andererseits ist festzustellen, dass hier eine ziemlich kleine Partei einen massiven Wahlkampf organisiert hat und bei ihrem ersten Wahlantritt in diesem Bundesland auf Anhieb 4,6% der Stimmen, in absoluten Zahlen 45.697 Wählerstimmen erreicht hat. Nur wenige tausend Stimmen mehr und die langen Gesichter wären jetzt auf der anderen Seite zu besichtigen.

Im Schatten von Sachsen-Anhalt standen die mit geringer Kraft geführten Wahlkämpfe in Baden-Württemberg (1,0 %) und Rheinland-Pfalz (1,1%). In absoluten Zahlen schnitt die NPD in BaWü mit 48.227 Stimmen sogar besser ab als in Sachsen-Anhalt und überschritt durch ihren leichten Zuwachs um 0,3% die finanziell wichtige 1%-Hürde. Langfristig wichtiger noch ist der sich fortsetzende Kollaps der Konkurrenz im eigenen Lager, die REPs verloren bei beiden Wahlen deutlich.

Für sich genommen sagt ein einzelnes Wahlergebnis für die Zukunft nicht sehr viel aus. Nicht die 4,6% sind entscheidend, sondern was die Organisation daraus macht, wie sie sie interpretiert, welche Schlüsse sie zieht, wie und ob sie lernt. Udo Voigt selbst schrieb in seiner Wahlauswertung in seinem typischen Nebeneinander von Irrationalität und Rationalität von den »diabolischen Kräften der Verderbnis« mit denen man es zu tun gehabt hätte und gleichzeitig lud er seine Kader zu einer Wahlauswertung ein, um die »strategische und inhaltliche Ausrichtung« zu besprechen. Informationen und Analysen leiht er sich, genau wie Gansel, inzwischen ausgerechnet bei der kritischen Sozialwissenschaft aus. Die Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung liegen offensichtlich auf ihren Schreibtischen und werden von ihnen »gegen den Strich« gelesen.

Im Kriegsplan der NPD war die Wahlteilnahme in Sachsen-Anhalt eine groß angelegte Angriffsoperation. Im September geht es bei der Verteidigung der Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern von vornherein um viel mehr. Der Erfolg der NPD in MV basiert nicht zuletzt auf dem engen Geflecht diverser neofaschistischer Gruppen mit der NPD und insbesondere ihrer Landtagsfraktion. Wir sprechen nicht umsonst von einer Modellregion, in der die Abgeordneten und Mitarbeiter der Fraktion eine wesentliche Rolle spielen. Ihre Kader sind eingeübt, desaströse Selbstzerstörungen wie früher bei der DVU waren nicht zu beobachten. Die Ausgangslage ist hier für die NPD also günstiger, doch sie haben hier auch mehr zu verlieren. Innerparteilich geht es darum, ob Pastörs mit Holger Apfel, dem erfolgreichen Verteidiger der sächsischen Landtagsfraktion, gleichziehen kann.