Licht aus in Ludwigsburg

geschrieben von Ulli Sander

5. September 2013

oder: was dpa nicht vermeldete

Jan.-Feb. 2007

Die Deutsche Presseagentur dpa veröffentlichte am 27. Dezember 2006 eine Meldung mit dem Titel „Recherchen über NS-Täter fast abgeschlossen – Die Zentrale Stelle steht vor dem Abschluss ihrer Tätigkeit“. Wir veröffentlichen sie im Wortlaut – mit unseren Kommentaren in Klammern.

„Wir werden in absehbarer Zeit unsere Arbeit beenden“, sagte der Leiter der Fahndungsstelle Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm, in Ludwigsburg. (Gemeint ist: Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen, gegründet 1958 von den Justizministern der Länder der BRD) Es sei die weltweit größte Fahndungsstelle. (Zum Vergleich: Die Stelle hat nur rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auf 3.400 Planstellen ist die Behörde für die Stasihinterlassenschaften angewachsen. Schon 1998 verlangte die VVN-BdA erfolglos, von dieser Behörde Mittel und Personal abzuzweigen, z.B. um den gesetzlich vorgeschriebenen Entzug von Kriegsopferrenten für ausländische SS-Angehörige vorzunehmen.)

2006 habe man die Recherchen im militärhistorischen Archiv in Prag abgeschlossen, sagte Schrimm. „Wir waren Anfang des Jahres in Prag, ohne etwas zu finden, was uns veranlassen könnte, dort weiter zu ermitteln.“ Bei dem gesichteten Material handelte es sich überwiegend um Unterlagen der Waffen-SS, die wegen der Bombardierung Berlins 1943 ausgelagert worden waren. (Weil das Waffen-SS-Archiv ausgelagert wurde und die Zentralstelle „dort nicht ermittelt“, brauchen sich auch so manche Leute nicht ihrer Waffen-SS-Zeit zu erinnern?)

In der Ukraine sei die Sichtung der Aktenbestände abgeschlossen. Die Unterlagen würden derzeit von Spezialisten in Ludwigsburg übersetzt. Erst begonnen habe man mit der Sichtung dagegen in Weißrussland und in Russland. Es handele sich dabei um mehr als 100 000 Seiten etwa aus dem deutschen Reichssicherheitshauptamt, von Waffen-SS und Polizei sowie aus Konzentrations- und Kriegsgefangenenlagern. „Alle uns interessierenden Unterlagen der Russen sind aber auch von den

Amerikanern gesichtet und mikroverfilmt worden.“ Die Akten in Italien habe man bereits 2005 abgehakt. („Abgehakt“, das geschah sogar mit Akten zu Massakern, die gegenwärtig in Italien in Prozessen gegen deutsche Wehrmachts- und SS-Verbrecher gesühnt werden sollen, während die deutsche Justiz untätig bleibt. ARD-Kontraste am 15. Januar 2004: Unbearbeitet wurden in mindestens 25 Fällen gesetzwidrig – weil die Nichtverjährbarkeit von Mord unbeachtet blieb – die Akten der Zentralstelle wegen „Fristablauf“ ans Bundesarchiv übergeben. Noch immer warten wir auf Antwort zum Fall 508 AR 1110/02, d.h. zur Anzeige der VVN -BdA gegen rund 200 Kriegsverbrecher aus der Wehrmachts-Gebirgstruppe.)

Im kommenden Jahr befassen sich zwei Übersetzer der Zentralstelle im Washingtoner Holocaust Memorial Museum mit 100 000 Seiten Akten des sowjetischen Geheimdienstes KGB, hauptsächlich aus Prozessen. „Wir haben schon ein Problem, dies mengenmäßig zu bewältigen“, sagte Schrimm. Die Akten seien jedoch zweitrangig, da KGB-Unterlagen in einem deutschen Gericht nicht als Beweis eingeführt werden könnten. (Unterlagen aus der Sowjetunion können bekanntlich nicht berücksichtigt werden – weil sie nicht „rechtsstaatlich“, sondern „stalinistisch“ zustande kamen.)