Makabre historische Exkurse

geschrieben von Ernst Antoni

5. September 2013

Juli-Aug. 2009

Noch ist offen, welches Ende der Prozess gegen den einstigen Gebirgsjäger-Kompanieführer und mutmaßlichen Kriegsverbrecher Josef Scheungraber nehmen wird. Zwar hatte die Staatsanwaltschaft bereits am 18. Juni in ihrem Plädoyer lebenslange Haft wegen 14-fachen Mordes gefordert. Gabriele Heinecke, Vertreterin von 13 Angehörigen der italienischen Opfer als Nebenklägerin, hatte damals – angesichts der Forderung der Scheungraber-Verteidiger, das Verfahren einzustellen – gegenüber der Süddeutschen Zeitung das Verhalten dieser Anwälte als »zynisch« bezeichnet. Sie würden sich in die Reihen jener einordnen, die die in den Anfangsjahren der Republik »stillschweigende Amnestie« für Kriegs- und NS-Verbecher betrieben hätten.

Seither aber sind wieder einige Wochen ins Land gezogen – in der ersten Juliwoche begannen nun die Verteidigungs-Plädoyers. Als wollten sie die Zynismus-Vorwürfe von Anwältin Heinecke illustrieren, nutzten die Scheungraber-Verteidiger ihre bisherigen Plädoyers unter anderem zu makabren historischen Exkursen. Befremdet stellte die SZ fest, dass einer von ihnen das Massaker im italienischen Dorf Falzano die Cortona, um das es bei diesem Prozess geht, schlicht einen »Vorgang« nannte. Um dann draufzusatteln, dass »Tausende deutsche Soldaten« in Italien Opfer von Partisanen geworden seien. Nach diesen aber krähe heute »kein Hahn mehr«.

Während die Opfer-Täter-Verhältnisse umgekehrt, Überlebende und Hinterbliebene gedemütigt werden, wird für den Angeklagten die Mitleidstour gefahren. Kein anderes Land sei ihm bekannt, so einer der Verteidiger, das 90-Jährige vor Gericht stelle. Abgesehen davon, dass auch das so nicht stimmt – andernorts kamen Kriegsverbrecher eben jünger vor Gericht, weil es keine »stillschweigende Amnestie« gab.