Menschen und Häuser

geschrieben von Horst Helas

5. September 2013

Zum Beispiel das Jüdische Waisenhaus in Pankow

Jan.-Feb. 2013

Überarbeitete und ergänzte Neuauflage. Herausgegeben vom Verein der Förderer und Freunde des ehemaligen Jüdischen Waisenhauses in Pankow e. V. und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten VVN-BdA, Berlin Pankow e. V., 2012

In Berlin-Pankow bin ich aufgewachsen. In der Nähe des S-Bahnhofes sind mir zwei größere Gebäude in Erinnerung. Zum einen das Postamt, wo ich oft wegen irgendwelcher Besorgungen lange angestanden habe. Und gegenüber ein noch größeres imposantes Gebäude, das mit dem italienisch klingenden Namen Garbaty zu tun hatte. Dass ich es sich bei der jüdischen Firma J. Garbaty, die hier in Pankow ihren Hauptsitz hatte, um eine der renommiertesten Unternehmen der Berliner Zigarettenindustrie handelte, das wusste ich damals nicht und es hat mir auch niemand erzählt. Als nach 1945 geborener Nichtraucher kannte ich auch die in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts bekannte Zigaretennmarke »Königin von Saba« nur aus Erzählungen und Büchern.

Auch dieses Gebäude hatte ich einmal von innen gesehen. Ich war von einem polnischen Schulkameraden dorthin zu einer Weihnachtsfeier eingeladen worden. Die polnische Vertretung (seit 1952) später die polnische Botschaft (ab 1964) hatte in diesem Gebäude ihren Sitz. Sicher war die Feier eine aufregende Angelegenheit, aber genauere Erinnerungen daran habe ich nicht – auch nicht an die Räumlichkeiten des Hauses.

Von der Geschichte des Hauses Berliner Straße 121 (früher Nr. 35), das seit 1913 ein Jüdisches Waisenhaus gewesen war, habe ich erst viel später erfahren, als ich in Inge Lammel ein Vorbild fand, beharrlich nach Wurzeln früheren jüdischen Lebens zu suchen und darüber in Wort und Bild zu berichten.

Die zweite überarbeitete und ergänzte Auflage der Geschichte des Jüdischen Waisenhauses in Pankow ist anzuzeigen. Wie der Untertitel verspricht, werden viele Bilder und Dokumente präsentiert. Gegenüber der ersten, im Jahre 2001 erschienenen Auflage fallen zwei Momente ins Auge. Erstens wurde die Liste zum Gedenken an die in faschistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordeten Zöglinge, Lehrer, Erzieher und Beschäftigten des Waisenhauses vervollständigt.

Zweitens wird über die vielfältigen Bemühungen seit der Instandsetzung und Rekonstruktion des Hauses berichtet, ein Gebäude wieder mit Leben zu erfüllen, als Ort der Erinnerung zu präsentieren – für Überlebende des Holocaust und ihre Angehörigen sowie eine breite interessierte Öffentlichkeit.

Allzu selten kann man über solcherart ehrenamtlicher Kleinarbeit nachlesen, die auch die Herausgeber, der Verein der Förderer und Freunde des ehemaligen Jüdischen Waisenhauses in Pankow e. V. und der Pankower Organisation des VVN-BdA, beharrlich leisten.

Ich kann anderen an Regionalgeschichte Interessierten diesen Band zur gründlichen Lektüre vor einem historischen Spaziergang durch Pankow auf Spuren früheren jüdischen Lebens nur empfehlen.