„Menschliche Pinguine“

geschrieben von Ulrich Schneider

5. September 2013

Was darf islamophober Populismus?

Juli-Aug. 2007

Es ist über einen – leider – ganz normalen Vorgang in unserer Republik zu berichten. In Köln plant eine Islamische Gemeinde ein Gotteshaus zu errichten und die öffentliche Debatte der „braven Bürger“ treibt helle Blüten. Neben vielen anderen Sprüchen und Warnungen vor Überfremdung unseres „christlichen Abendlandes“ äußert sich ein Diskutant auch dazu, dass seine „Ästhetik beschädigt“ werde beim Anblick einer „von oben bis unten verhüllten Frau, eines menschlichen Pinguins“ – wohlgemerkt, dieser Vorwurf richtete er nicht gegen die in Köln zahlreich anzutreffenden katholischen Nonnen, sondern gegen eine Frau, die sich in traditionalistischer islamischer Kleidung auf Kölner Straßen bewegte.

Normalerweise würde man bei solchen Sprüchen zur Tagesordnung übergehen. Zu alltäglich sind bereits solch islamophobe Populismen, die an Stammtischen und in allen Spielarten rechter Ideologie verbreitet werden. In diesem Fall jedoch trat der Sprecher auf mit dem Impetus des Holocaust-Opfers, des Widerstandskämpfers – es war Ralph Giordano. Und anstatt solchen populistischen Unsinn zurückzuweisen, begannen die Medien zurückzurudern, er habe doch Begründungen dafür, ihm als NS-Verfolgten könne man doch nun wirklich keine rechtsextreme Gesinnung unterstellen. Und die FAZ meinte nun, man müsse doch Verständnis für die Furcht und Sorge der nichtmuslimischen Bevölkerung aufbringen, wenn selbst eine solche – über allen moralischen Zweifeln stehende – Person diese Kritik formuliere.

Offensichtlich ist die Tatsache, dass jemand Gegner des Naziregimes und in den 50er Jahren selbst Mitglied in der VVN war, kein Schutzschild, dass man populistischen Stimmungen folgt. In späteren Kommentaren zu seinen Äußerungen hat er seine Bemerkungen verbunden mit einer sicherlich berechtigten Kritik an fundamentalistischen Strömungen im Islam. Damit vertritt er demokratische Grundüberzeugungen, die fundamentalistische Positionen in allen Religionen zurückweisen. Seine Stichworte in der Moschee-Bau-Debatte waren und sind jedoch Öl in das Feuer der extremen Rechten von „Pro Köln“ und anderen Neofaschisten, die seit vielen Wochen in Köln – Ehrenfeld versuchen, die öffentliche Stimmung gegen den Bau anzuheizen und ihr politisches Süppchen darauf zu kochen. Wenn schon ein Ralph Giordano solche Dinge formuliere, dann dürfe man selber es doch erst recht sagen. Giordano wird sich fragen lassen müssen, ob er mit seiner Form der Kritik nicht dazu beigetragen hat, der Islamophobie, einer gegenwärtigen Form von Rassismus und Intoleranz, das Wort geredet zu haben.

Ein Gedanke zum Abschluss: Vor einigen Jahren sprach ich auf der Frankfurter Buchmesse mit Ralph Giordano, ob er nicht anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der VVN eine Grußansprache halten wolle. Er wies diese Bitte mit dem Hinweis zurück, solange ein stalinistischer Dogmatiker wie Peter Gingold in dieser Organisation etwas zu sagen habe, wolle er mit ihr nichts zu tun haben. Schon damals war es mehr als nur ein Gesinnungswandel des ehemaligen VVN-Mitglieds – ich hoffe, dass seine Kölner Polemik nur ein Ausrutscher ins rechtspopulistische Fahrwasser war.