Mörder auf freiem Fuß

geschrieben von Ulrich Sander/Ernst Antoni

5. September 2013

Gebirgsjäger-„Traditionspflege“ und Gegenveranstaltungen

Juli-Aug. 2007

In Italien verurteilte Kriegsverbrecher

In La Spezia wurden 2006 wegen des Massakers in St. Anna di Stazzema zu lebenslanger Haft verurteilt:

Werner Bruss, Unteroffizier, Jg. 1920, (Wohnort unklar)

Alfred Mathias Concina, Unterscharführer, Jg. 1919, (wohnt laut ital. Presse in Rechenberg-Bienenmühle)

Ludwig Göring, (teilweise als ‚Goring‘ benannt), SS-Rottenführer, Jg. 1923, wohnt in Baden-Württemberg, zwischen Pforzheim und Karlsruhe (dt. Presse)

Karl Gropler, SS-Unterscharführer, Jg. 1923, Wollin/Brandenburg

Georg Rauch, Unterleutnant, Jg. 1921, (Wohnort unklar)

Horst Richter, Unterscharführer, Jg. 1921, Krefeld

Heinrich Schendel, Unteroffizier, Jg. 1922, Ortenberg/Hessen

Gerhard Sommer, (teilweise auch als ‚Gerard‘ benannt), SS-Untersturmführer, Jg. 1921, wohnt in Hamburg-Volksdorf

Alfred Schöneberg, (teilweise auch als `Schoneberg‘ bzw. `Schönenberg’benannt), SS-Unterscharführer, Jg. 1921, wohnte in Düsseldorf, inzwischen verstorben

Ludwig Heinrich Sonntag, (auch als ‚Heinz Ludwig Sonntag‘ benannt), SS-Unterscharführer, Jg. 1924, Dortmund, inzwischen verstorben

Wegen Falzano di Cortona wurden zu lebenslänglich verurteilt:

Josef Scheungraber, Ottobrunn

Herbert Stommel (Wohnort unbekannt)

Wegen Massakers in Branzolino-San Tome (bei Forli) zu lebenslänglich verurteilt:

Heinrich Nordhorn (wohnte in Greven, mittlerweile unbekannt verzogen)

Wegen Kephallonia nicht verurteilt (weil in Italien dazu kein Verfahren stattfand und weil die bayerische Justiz das Verfahren einstellte):

Othmar Mühlhauser, Dillingen

Kritische Öffentlichkeit war nicht willkommen. Unter massivem Polizeischutz fand das 50. Traditionstreffen von Gebirgsjäger-Veteranen und Bundeswehr auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald statt – weiträumig getrennt von Gegenveranstaltungen. Dennoch gelang es einigen Kritikern, sich unter die „Traditionspfleger“ zu mischen und zu Beginn der Feier friedlich Transparente zu entrollen. Wüste Beschimpfungen und Festnahmen folgten. Einige der Betroffenen – unter ihnen der Geschäftsführer der VVN-BdA NRW, Jürgen Schuh – wurde stundenlang festgehalten und mussten sich unwürdigen Leibesvisitationen unterziehen.

Bei den Pfngst-Protesten in Oberbayern ging es in dieses Jahr vor allem auch um ein Klageerzwingungsverfahren wegen des Wehrmachtsmassakers im September 1943 auf der griechischen Insel Kephallonia. Über 4.000 italienische Kriegsgefangene waren dort durch Mitglieder des Gebirgsjägerregiments 98 der 1.Gebirgsdivision ermordet worden. Ihre Namen und die weiterer Opfer aus Griechenland und Italien wurden bei einer Gedenkveranstaltung auf einem Platz in Mittenwald verlesen.

Nachdem inzwischen mehrere Kriegsverbrecher aus der NS-Gebirgstruppe in Italien zu lebenslänglichen Zuchthausstrafen verurteilt wurden, setzen sich der Arbeitskreis „Angreifbare Traditionspflege“ und die VVN-BdA verstärkt dafür ein, dass diese Personen, die in Deutschland Straffreiheit genossen, entweder nach Italien ausgeliefert werden oder in Deutschland verhaftet und ihrer Strafe zugeführt werden. Wie die zuständige Zentralstelle für die Bearbeitung von NS-Massenverbrechen in Dortmund der VVN-BdA durch Oberstaatsanwalt Ulrich Maaß mitteilte, ist es möglich, in Deutschland die Strafen zu verbüßen, die in Italien verhängt wurden.

Besonders geht es um die Fälle Othmar Mühlhauser aus Dillingen an der Donau und Josef Scheungraber aus Ottobrunn bei München. Der ehemalige Kompanieführer im Gebirgspionierbataillon 818 Scheungraber ist für die grausame Ermordung von mindestens 13 Menschen im Juni 1944 in dem toskanischen Dorf Falzano verantwortlich. Mühlhauser hatte am 24. September 1943 auf Kephallonia das Kommando gegeben, den italienischen General Antonio Gandin und mindestens zwölf seiner Offiziere zu erschießen. Scheungraber wurde in Italien verurteilt, Mülhauser in München außer Verfolgung gesetzt, nachdem in Dortmund gegen ihn die Beweise zusammengetragen worden waren.

In einem Zelt in Mittenwald eröffnete Ernst Grube mit einem Grußwort der VVN-BdA ein Zeitzeugen-Hearing mit Marcella und Enzo di Negri und Paola Fioretti, Kinder von auf Kephallonia ermordeten Kriegsgefangenen, dem griechische Partisanen Nikos Fokas und dem österreichischen Wehrmachts-Deserteur Richard Wadani.

Auch das sei allerdings beim Rückblick auf Pfingsten in Mittenwald erwähnt: Heftige Kritik gab es aus der VVN-BdA an einem vom AK Angreifbare Traditionspflege satirisch gemeinten Protestplakat gegen das Gebirgsjägertreffen: Ein niedergetrampeltes Kreuz – auch in einer Karikatur und auch, wenn es real Bestandteil des Gebirgsjäger-Denkmals auf dem Hohen Brendten ist – ist alles andere als hilfreich, wenn wir unter den Bewohnern der Region und bei kirchlichen Ansprechpartnern Verständnis für unsere Anliegen wecken und weitere Mitstreiter gewinnen wollen.