Nicht alles ist käuflich

geschrieben von Thomas Willms

5. September 2013

Eindrücke vom Evangelischen Kirchentag

Juli-Aug. 2011

Die VVN – BdA führte etwa 1000 Quize mit Besuchern zum Thema »Neofaschismus in Deutschland« durch. Am meisten Aufmerksamkeit erzielte die Frage nach den Finanzquellen der NPD. Unsere zwölf Kameradinnen und Kameraden bemühten sich, allen Gesprächswünschen nachzukommen, was wegen des Andranges nicht immer möglich war. Es fanden sich auch viele unserer Mitglieder am Stand ein und sehr viele Gäste wünschten uns Erfolg für unsere weitere Arbeit. Auf dem »Marktplatz« führte Heinrich Fink ein vielbeachtetes Podiumsgespräch mit Frido Seydewitz.

Marktbereich 2, Halle 4. Das war der Platz der politischen Parteien auf dem Evangelischen Kirchentag in Dresden. Zusammen mit Organspendebefürwortern und -gegnern, Homosexuellengruppen und evangelikalen Schwulenfeinden sowie vielen anderen, setzten sich alle Bundestagsparteien geschätzten 100.000 Sinnsuchern aus, die während dreier Tage durch die Hallen walzten. Viele der Mitwirkenden der »Markt der Möglichkeiten«-Community kennen und treffen sich alle zwei Jahre in Messehallen und Großzelten wieder. Doch Vieles hat sich verändert. Vor 20 Jahren herrschten noch Tapeziertische, gewaltige Rauschebärte und Strickpullover vor, so kommt es jedenfalls dem Autor, die Vergangenheit vermutlich verklärend, vor. Es wurde mächtig gestritten, nicht immer besonders zielgerichtet, aber immer ging es um etwas. Und heute?

»Auftrag: Demokratie«. Das war der Slogan der Konrad Adenauer Stiftung. Warum nicht gleich »Freude am Fahren«? Jedenfalls hätte der Spruch besser zur Optik und zum Auftreten der KAS gepasst. Businessdamen und -herren mit dem Charme von Versicherungsvertretern boten da hinter ihren Normtresen ihre Produkte an, »Demokratie«, also »Volksherrschaft« soll auch darunter gewesen sein. Daran darf gezweifelt werden, taten die Betreffenden doch alles dafür, ein Volk von Gaffern und Konsumenten heranzuziehen, das dumm-begeistert der angeblichen Politprominenz zuklatscht, die Bugwellen der Bedeutung aus Bodyguards und Jugendverbandsclaqueuren (da muss wohl durch, wer in einer Partei etwas werden will) vor sich herschoben.

Worthülsenabsondernd, sich vor grünen, roten, gelben, orangen »Informationsständen« drapierend, das war es, was man von deutscher Politik zu sehen bekam. Dass man da Gott, Jesus, Bergpredigt usw. allenfalls noch in Aufkleberform verwendet oder am besten gleich ganz darauf verzichtet (wie speziell die sich »christlich« nennenden Parteien), hatte nur Ramelows Atheistentruppe in ihrem rührendem Unterfangen, den »Dialog mit Christen« führen zu wollen, noch nicht bemerkt

Dem Trend der Zeit wollten auch manche -großen christlichen Verbände nicht nachstehen, welche »Informationseinheiten« aufbauten, nein aufbauen ließen, die aussahen als würden Kreuzfahrtschiffe auf Kiel gelegt. »Der Kunde hat das so gewollt«, erklärte mir ein schwitzender Handwerker am Stand der Johanniter am Vorabend auf Nachfrage.

Strafe muss sein, die Langeweile, die die Parteien verbreiteten, fiel erfreulicherweise auf sie selbst zurück. Gähnkrämpfe unterdrückend durchstanden die Pseudokommunikatoren inmitten ihrer Luftballonwüsten die drei langen Tage, nur unterbrochen vom Aufploppen irgendwelcher Bundestags-Bedeutungsblasen. Krieg und Frieden? Ach was, wir haben doch Bonbons!

Wie das Personal der Stände wohl zustande gekommen sein mag? Auslosung, Aburteilung, Bestechung, am wahrscheinlichsten wohl: durch »Einkauf einer Leistung«, oder durch »Auslösen eines Auftrags«. Dass es den Leuten um etwas geht, manchmal mit, manchmal ohne Gott oder irgendetwas dazwischen, das haben die Politstrategen wohl erkannt. Soviel Minister, Parteichef, Fraktionschef und Sonstwas-Chef war wohl noch nie auf einem Kirchentag zu besichtigen. Nur war der Widerspruch zwischen den Sinnsuchern des nichtkommerziellen Kirchentages und den kommerziell organisierten, denkenden und auftretenden Parteien mit den Händen zu greifen.

Das »Volk«, insbesondere die Jugendlichen, ging nämlich vorzugsweise an derlei Angeboten vorbei. Es gab ja auch Besseres und Echteres: Einen fröhlich lachenden Haufen, der sich vor seinem selbstzusammengezimmerten »Kiosk« feierte, von dem aus sie eine Kirchentagszeitung verteilten. Einen netten älteren Herrn, der wie alle Jahre, Bücherstapel in seinem Umsonstladen herumwuchtete oder die evangelische Männerarbeit mit ihren Holzklötzchen und Waagen, um mit Rentnern über den Sinn des Lebens zu diskutieren. Neben jenen war auch der Stand der VVN gut besucht. Den politischen Parteien überlässt man die wichtigen Fragen jedenfalls besser nicht, soviel ist schon mal klar.