Niemand ist vergessen

geschrieben von Heinrich Fink

5. September 2013

Vor 70 Jahren überfiel Nazideutschland die Sowjetunion

Mai-Juni 2011

Vor 70 Jahren, am 22. Juni 1941, überfiel die Hitlerarmee die Sowjetunion. In dem beinahe vier Jahre dauernden barbarischen Vernichtungskrieg verloren etwa 26 Millionen Sowjetbürger ihr Leben, tausende Städte und Dörfer wurden zerstört, ganze Landstriche verwüstet. Wie schon beim Überfall auf Polen bemäntelte die NS-Propaganda ihre Aggression mit der Lüge, sie sei einem drohenden Angriff der Roten Armee zuvorgekommen. Doch das Gegenteil war der Fall. Das beinahe ungehinderte Vordringen der Naziarmee in den ersten Kriegswochen zeigte, dass die Sowjetunion auf diesen Krieg schlecht vorbereitet war.

Auch heute, 70 Jahre später, muss die historische Wahrheit, dass Nazideutschland den Krieg begonnen und als Vernichtungskrieg gegen »jüdisch -bolschewistische Untermenschen« mit bis dahin unvorstellbaren Massenverbrechen betrieben hat, durch uns als Antifaschistinnen und Antifaschisten wachgehalten und verteidigt werden. Denn Geschichtsfälschung und Geschichtsrevisionismus versuchen ja gerade die Jahre 1939 bis 1945, in denen die Grundlagen der weiteren Geschichte Europas gelegt wurden, umzudeuten. Auf der einen Seite wird versucht, den Krieg als eine Art schicksalhafter Verstrickung darzustellen, in der alle gleichermaßen zu Opfern wurden. Auf der anderen Seite steht die offene Leugnung der Tatsachen und Interessen, die diesem Krieg zugrunde lagen. Selbst die ungeheuerliche Lüge von den sowjetischen Aggressionsplänen, denen zuvorgekommen werden musste, wird immer wieder neu belebt.

Dagegen stehen historische Fakten und Geschehnisse an konkreten Orten, die wir gemeinsam mit unseren Bündnispartnern vor allem aus der Friedensbewegung, im öffentlichen Bewusstsein erhalten müssen. Erinnern wir also an die Massaker bei Baby Yar, bei denen am 29. und 30. September 1941 in mörderischer Zusammenarbeit von Wehrmacht und SS 33 741 jüdische Einwohner der Stadt Kiew in eine Schlucht getrieben und ermordet wurden. Gedenken wir der sowjetischen Kriegsgefangenen, die erbarmungslos dem Hungertod preisgegeben oder in Massen erschossen wurden. In Bergen Belsen starben in der Zeit von Juli 1941 bis zum Frühjahr 1942 mindestens 18 000 sowjetische Kriegsgefangene, in Sachsenhausen ermordeten 15 bis 20 SS-Leute von August bis Mitte November 1941 mindestens 10 000 ehemalige Rotarmisten mittels einer im »Industriehof« installierten Genickschussanlage, weitere 3000 starben zur gleichen Zeit im Lager an Hunger und Seuchen.

In vielen Orten vor allem im Osten Deutschlands gibt es sowjetische Soldatenfriedhöfe und Ehrenmale, die gepflegt und erhalten werden müssen. Warum sie da sind und was der Sieg der Streitkräfte der Antihitlerkoalition über den deutschen Faschismus auch für die Deutschen selbst bedeutete, müssen wir immer neuen Generationen auf neue Art und Weise vermitteln, den Veränderungen der Erfahrungshorizonte angemessen, die über einen solch langen Zeitraum selbstverständlich erfolgen.

Gelegenheit gibt es dazu wie immer auch schon am 8. Mai, dem Tag der Befreiung. Die Berliner VVN wird ihn wie immer mit einem fröhlichen Fest am 9. Mai, dem sowjetischen »Tag des Sieges« begehen. Jahr für Jahr hat sich die Zahl der Besucher dieses Festes im Treptower Park erhöht. Wer nicht feiert, hat verloren, lautet sein Motto. Wir alle werden auf jeden Fall wieder mitfeiern.

Und am 22. Juni veranstaltet die Bundesorganisation in der Humboldt-Universität ein Forum, auf dem sich Mitglieder der VVN-BdA, die in den Reihen der Sowjetarmee gekämpft haben, den Fragen junger Antifaschistinnen und Antifaschisten stellen. Denn wer aus der Geschichte nichts lernt, hat auch verloren.