Nix Nazi-Aufmarsch

geschrieben von Die Fragen stellte Janka Kluge

5. September 2013

antifa-Gespräch mit Dietrich Schulze über Gegenwehr in
Karlsruhe

Sept.-Okt. 2010

Dr. Dietrich Schulze ist Landessprecher der VVN-BdA Baden-Württemberg

Karlsruhe ist nazifreie Zone geblieben. Der für den 21.August von Nazi-Kameradschaften aus dem NPD-Umfeld geplante Aufmarsch für Hitlers Stellvertreter Heß wurde verhindert. In Vierer-Reihen mit Fackeln und Trommeln wollten die »Freien Kräfte Karlsruhe« durch die Innenstadt ziehen. Am Gottesauer Platz sollte der Aufmarsch beginnen, direkt gegenüber der Lutherkirche. Genau dort aber versammelten sich 400 Nazigegner zu einer Kundgebung. MdL Gisela Splett (Bündnis 90/Die Grünen), Niko Landgraf (DGB-Landesvorsitzender), Heinrich Fink als Vorsitzender der VVN-BdA, und ein Vertreter der Autonomen Antifa Karlsruhe haben gesprochen. Und welch bemerkenswerte Umrahmung: Am Beginn ein Grußwort von Oded Pelzmann im Namen einer beim DGB weilenden israelischen Gewerkschafter-Delegation und am Schluss zehn Minuten Glockenläuten der Lutherkirche mit anschließendem Friedensgebet in der Kirche. Ein gutes Signal für die Stadt und darüber hinaus.

antifa: Warum hatten die Nazi-»Kameradschaften« für den 21. August 2010 zu einer bundesweiten Demonstration nach Karlsruhe mobilisiert?

Schulze: Das Antifaschistische Aktionsbündnis Karlsruhe (AAKA) sieht dafür zwei Gründe. Erstens den Versuch, das Heß-Gedenken in zeitlicher Nähe zu dessen Todestag am 17. August erneut öffentlich zu zelebrieren. Dafür ist Karlsruhe als Sitz des Bundesverfassungsgerichts von besonderer Attraktivität. Mit verändertem Etikett sollte die verschärfte Rechtsprechung unterlaufen werden. Und zweitens wollten die Nazis ihre Pechsträhne in dieser Stadt durchbrechen. Seit sieben Jahren wurde hier jeder Versuch öffentlicher Nazi-Auftritte zunichte gemacht. Nur drei Beispiele. Im letzten Jahr wurde mit ähnlich kurzfristiger Mobilisierung ein Heß-Flashmob verhindert. In einer größeren Kampagne wurde die Errichtung eines von NPD und Kameradschaften geplanten Nazi-Zentrums in Karlsruhe-Durlach gestoppt. Ein von Christian Worch Ende 2005 geplanter Aufmarsch wurde verhindert. Dafür wurde 2006 im Rahmen der VVN-BdA-Ausstellung »Neofaschismus in Deutschland« in der Karlsruher Lutherkirche bekannt, dass Worchs Großvater NSDAP-Kreisleiter in Karlsruhe war. Es mag also auch persönliche Gründe dafür gegeben haben, dass der Gottesauer Platz gegenüber der Lutherkirche als Aufmarsch-Treff ausgesucht wurde.

antifa: Das Bündnis hat in einem offenen Brief an den Karlsruher Bürgermeister und die Gemeinderäte gefordert, dass die Stadt den Naziaufmarsch verbietet. Wie hat die Stadt darauf reagiert?

Schulze: Das Bündnis hat nicht nur das Verbot gefordert, sondern auch die Mobilisierung der Öffentlichkeit durch die Stadt. Die VVN-BdA hat dazu aufgerufen, gegen die massive Verschandelung der Stadt mit Nazi-Aufklebern, u.a. an der Lutherkirche und am DGB-Haus, vorzugehen. Doch zunächst ist gar nichts passiert, im Gegenteil. Der amtierende OB räsonierte öffentlich über die entstehenden Probleme »wenn zwei extremistische Gruppen aufeinander treffen«, die bekannte, Nazis verharmlosende Gleichsetzungslüge. Erst als der AAKA-Aufruf immer breitere Unterstützung erfuhr (zuletzt 240 Gruppen und Einzelpersonen) und die rührige Grünen-Gemeinderatsfraktion eine fraktionsübergreifende Erklärung von CDU bis Linke zur Verhinderung des Aufmarsch durchgesetzt hatte, steuerte die Stadt das Verbot bei und erklärte, den Nazi-Dreck beseitigen zu wollen.

antifa: Obwohl es in Karlsruhe, Rastatt und Mannheim aktive und vernetzte Gruppen der »Freie Kameradschaften« gibt, ist es ihnen seit fast sieben Jahren nicht mehr gelungen, in Karlsruhe zu demonstrieren. Worin liegt die Stärke des antifaschistischen Bündnisses in Karlsruhe?

Schulze: Ich denke vor allem darin, dass es nach früheren Diskussionen über Grundsätze und Aktionsformen gelungen ist, folgenden Konsens im Bündnis zu erreichen: Es genügt nicht gegen Nazis zu sein, Nazi-Auftritte müssen verhindert werden. Das Bündnislogo »Weiße Rose gegen braune Gewalt« bedeutet, dass die Proteste einen friedlichen Charakter haben. Die Verabredungen im Bündnis werden von allen Gruppen getragen und eingehalten. Das hat uns im AAKA stark gemacht und das hat zu einem vertrauensvollen Umgang untereinander geführt, der durch gemeinsam erkämpfte Erfolge vertieft wird.

antifa: NPD und »Freie Kameradschaften« haben versucht, in Karlsruhe ein Haus zu kaufen. Warum ist daraus nichts geworden?

Schulze: Weil die Gegenwehr stark und nachhaltig genug war. Der anfangs hauptsächlich vom AAKA und der Autonomen Antifa getragene Protest führte zur Gründung der stadtteilbezogenen Initiative »Kein Platz für Nazis«. Die Stadt Karlsruhe leistete einerseits durch wohnrechtliche Auflagen einen konstruktiven Beitrag, versuchte aber gleichzeitig, den antifaschistischen Protest zu spalten, z.B. durch einen Vortrag des »Extremismusexperten« Eckhard Jesse. Auf dem Höhepunkt des Bürgerprotestes wurde aus dem vom AAKA beantragten »Stuhlgang gegen Braun« eine Blockade der Bundesstraße B3 vor dem Haus mit 700 Menschen. Die Nazis sind inzwischen nach Rheinmünster-Söllingen bei Baden-Baden umgezogen.