»Per la vita«

geschrieben von Lothar Zieske

5. September 2013

Esther Bejarano geht musikalisch neue Wege

Sept.-Okt. 2009

»Per La Vita«, Bejarano meets Microphone Mafia

Erschienen am 12. Juni 2009 auf Al Dente R (ALIVE)

ASIN: B001UJST9Y; Empfohlener Verkaufspreis: 14,99 Euro

Für die Werbung zum Erscheinen der CD am 26. Juni in der Hamburger Hochschule »DWP« stand nur die wirklich kurze Zeit von drei Wochen zur Verfügung; das Konzert sollte möglichst zeitnah zum Erscheinen der CD und vor allem noch vor der Sommerpause stattfinden. Zweifelnden Stimmen, auch von Mitgliedern des Auschwitzkomitees, hatte Esther Bejarano ihren bisweilen unerwarteten, dann aber auch unerschütterlichen Optimismus entgegengesetzt, der auch die Zögernden mitriss. Und dieser Optimismus sollte sich als gerechtfertigt erweisen.

Doch zurück zu den Anfängen: Als Esther Bejarano vor einiger Zeit zum ersten Mal von ihrem Projekt berichtete, zusammen mit jungen Männern, die ihre Enkel sein könnten, eine CD aufzunehmen, war ihre Begeisterung deutlich spürbar. Esther Bejarano wirkt zwar trotz ihres fortgeschrittenen Alters jugendlich, doch jugendlicher Leichtsinn ist ihre Sache denn doch nicht. Und so war auch in diesem Fall ihre Begeisterung – falls man so etwas von einem Gefühl sagen kann – begründet.

Die jungen Musiker der »Microphone Mafia«, angetan von der Musik der Bejaranos, hatten gern mit ihr zusammenarbeiten wollen. Grundlage dieser Zusammenarbeit war außer der – entgegen dem »Ohrenschein« – musikalischen Nähe die allseitige Überzeugung, gemeinsam etwas unternehmen zu wollen, um dem Einfluss der »Schulhof«-CDs, mit denen die NPD unter Jugendlichen um Einfluss wirbt, etwas entgegenzusetzen.

Das Projekt erweiterte sich, als die junge Wissenschaftlerin Katharina Obens hinzukam, die die Generationen übergreifende musikalische und politische Zusammenarbeit der Bejaranos mit »Microphone Mafia« u.a. in einem Film dokumentierte. Das Projekt stand also auf soliden Füßen und alle, die von der politischen Zielrichtung erfuhren, waren erstaunt über die Idee und zugleich von ihr begeistert. So war es dann doch nicht verwunderlich, dass sich Esthers Optimismus als begründet erwies und der Hörsaal der »HWP« fast so gut gefüllt war wie bei den Veranstaltungen des Auschwitz-Komitees zum Gedenken an den 9. November 1938, in deren zweitem Teil Esthers Gruppe »Coincidence« zu spielen pflegt.

Wer in das Konzert gekommen war, um etwas Ähnliches wie bei diesen Veranstaltungen zu erleben, musste sich allerdings umstellen, denn der Rahmen unterschied sich doch deutlich. Es begann schon damit, dass nach Esther Bejaranos einführenden Worten »Microphone Mafia« das Publikum fragte: »Geht’s euch gut?«, und sich mit einem einigermaßen lauten »Ja!« nichtzufrieden gab. Da kam schon bei einigen Leuten im Saal die Frage auf, wie diese beiden Gruppen miteinander harmonieren würden.

Wie andere auch hatte ich erwartet, dass sich beide abwechseln würden. Wir erlebten eine nicht geringe Überraschung: »Microphone Mafia« begann mit ihrem Rap, und dann setzten – in einer bemerkenswert liebevollen Choreographie – Esther und Edna Bejarano mit ihrem Gesang ein. Ich war überrascht, wie gut Esther mit dem für sie neuen Klanghintergrund zurecht kam. Die Musik beider Gruppen harmonisierte auf erstaunliche Weise. Dazu trug sicherlich auch die persönliche Nähe zwischen den Beteiligten bei: »Signore Rossi« von »Microphone Mafia« gestand dem Publikum, dass er zur Zeit häufiger mit Esther und Edna Bejarano telefoniere als mit seiner Mutter.

Natürlich eignet sich nur ein Teil des Repertoires der Bejaranos für die gemeinsame musikalische und textliche Bearbeitung, grob gesagt die weniger lyrischen Stücke; und solche wurden fast ausnahmslos für die CD ausgewählt. Die Vertonung eines Gedichts von Nazim Hikmets wurde eigens geändert, um in den neuen musikalischen Kontext zu passen. Besonders gut harmonierte er meiner Meinung nach mit dem griechischen Lied, das von der Gefangenschaft Mikis Theodorakis‘ in der Zeit der Militärjunta handelt, oder mit Hanns Eislers Lied von der »Judenhure Marie Sanders«. Während des Konzerts begann der Saal nach und nach zu toben. Das Ganze endete mit standing ovations. Statt einer Zugabe bewegte »Microphone Mafia« das Publikum, in ihre Fassung von »Bella Ciao« einzustimmen.