Rechter Populismus

geschrieben von Hartmut Meyer-Archiv der VVN-BdA

5. September 2013

Über einige Akteure, Verbindungen und Ansichten

Juli-Aug. 2012

In Westeuropa hat sich der Begriff des »Populismus« erst seit den 1980er Jahren nach und nach durchgesetzt. Zurück geht er auf die 1892 in den USA gegründete »Populist Party«, die mit ihrer Politik gegen die Vorherrschaft des Großkapitals, für billige Kredite, die Gründung landwirtschaftlicher Genossenschaften und Volksabstimmungen eintrat und im mittleren Westen der USA zeitweilig großen Zuspruch fand. Gemeinsames Merkmal aller rechtspopulistischen Parteien, Vereinigungen und Publikationen ist die Identitätspolitik. »Das Volk«, das als weitgehend homogene Einheit aufgefasst wird, steht dabei im Mittelpunkt. Abgegrenzt wird dieses von der »politischen Klasse«, dem »Establishment«, dem der Vorwurf gemacht wird, es sei »machtgierig«, »abgehoben« und/oder »korrupt«. Auf horizontaler Ebene erfolgt eine zusätzliche Abgrenzung von »den Anderen«, »den Fremden«, was – nicht selten – eine rassistische Identitätsbildung zulässt. Abgesehen davon, daß der Begriff des Populismus auch auf linke Strömungen angewendet werden kann, umfasst der Begriff des Rechtspopulismus letztlich politische Strömungen, die irgendwo zwischen Konservatismus/ Liberalismus und Neofaschismus angesiedelt sind und deren weitere politische Entwicklung derzeit noch offen ist. Sieht man sich speziell die deutsche Politik an, stellt man fest, das sich infolge der sinkenden Integrationsfähigkeit der bürgerlichen Parteien in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von (Klein)Parteien, Organisationen und Publikationen gegründet haben, auf die der Begriff des Rechtspopulismus angewandt werden kann, wenn man ihn denn verwenden möchte. Inhaltlich haben sich dabei derzeit zwei verschiedene Schwerpunkte herausentwickelt: Die Stellung zur islamischen Religion einerseits und die Gegnerschaft zur Europäischen Union und deren Politik andererseits.

Mit Protestaktionen und Unterschriftensammlungen gegen Moscheebauten und eine angeblich zunehmende »Islamisierung« der Gesellschaft haben die »Pro«-Parteien begonnen, wobei Islamismus und Islam nicht selten gleichgesetzt werden. Zuerst in Köln, wo sie in den Stadtrat einzog, dann mit »Pro NRW« auf Landesebene, wo sie bei den letzten Landtagswahlen bei 1,5% landete, und mit »Pro Deutschland« in Berlin sowie mit einigen Ablegern in anderen Städten und Regionen. Mittlerweile versuchen die »Pro«-Parteien sich auch als EU-kritische Bewegung zu profilieren, da tumbe Anti-Islam-Propaganda allein anscheinend nicht ausreicht, um die Massen zu gewinnen. 2014 will »Pro« dann gemeinsam mit den Resten der »Republikaner« und – so hofft »Pro« – mit Unterstützung ihrer extrem rechten Bündnispartner in den Nachbarländern zur Europawahl antreten. Dazu würden sie gerne noch »Die Freiheit« (DF) des ehemaligen CDU-Mannes Stadtkewitz aus Berlin und die »Bürger in Wut« um den Kriminalbeamten Jan Timke ins Boot holen. Doch diese wollen (derzeit) keine Zusammenarbeit mit den »Pro«-Parteien, in deren Kern sich zahlreiche ehemalige NPD-, DVU- und »Republikaner«-Aktivisten sowie rechte Burschenschafter tummeln. Dabei hatten die »Pro«-Parteien sich sogar dazu durchgerungen, rechte Israelis als Verbündete im Kampf gegen den Islam anzuerkennen. Insgeheim hatte man u.a. gehofft, die zahlreichen Leser der rassistischen Internetplattform »PI-News«, die sich der bedingungslosen Solidarität mit Israel und den USA verschrieben hat, positiv zu beeindrucken.

Doch »PI-News« favorisiert, nach einer kurzen Liason mit den »Pro«-Parteien, nun klar die neugebildete Partei »Die Freiheit«, die sich an dem niederländischen Rechtsausleger Geert Wilders orientiert. Diese hat sich ebenso dem Kampf gegen »Islamisierung« verschrieben, hat ansonsten ein eher neoliberales Programm und setzt auf Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild. Nach ersten internen Auseinandersetzungen, die der »DF« eine Reihe Mitstreiter gekostet haben, scheint sich die Partei nun wieder gefestigt zu haben. Mit »PI-News« als aktuelle Nachrichten- und Diskussionsplattform, den örtlichen Gruppen von »PI-News«-Anhängern und der »Bürgerbewegung Pax Europa«, in dessen Bundesvorstand »DF«-Chef Stadtkewitz sitzt, hat die »DF« ein Reservoir, aus dem sie schöpfen kann. Wiederholt schaltete die Partei Anzeigen in der einschlägig rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit«, und Parteichef Stadtkewitz wurde hier schon mehrfach interviewt. 2010 sprach Stadtkewitz auf dem Sommerfest dieser Zeitung in Berlin.

Mittlerweile hat die umtriebige Anti-Islam-Propagandisten-Szene durchaus eine Eigendynamik entwickelt. Einige inzwischen ausgetretene »DF«-Aktivisten haben zum Jahresbeginn die Internetseite »Blu-News« gegründet. Sie wollen ein Netzwerk aufbauen und verstehen sich als »bürgerlich, liberal, unabhängig« (blu) und mit ihrem Medium – »politisch inkorrekt« und »provokativ« – ebenfalls politischen Einfluss gewinnen und weiterhin »Islamkritik« betreiben. Aktionistischer agieren will hingegen die »German Defence League« (GDL). Die hat sich der Bewahrung der »christlich-jüdischen Traditionen« der europäischen Kultur verschrieben und kämpft ebenfalls gegen »Islamisierung«. Sie versteht sich als deutscher Zweig der »Defence Leagues«, die sich mittlerweile in zahlreichen – vor allem europäischen – Ländern gegründet haben und sich unlängst zu einer gemeinsamen Demonstration im dänischen Aarhus versammelt hatten. Die GDL plant »Protestläufe gegen die schleichende Islamisierung Europas« und will die »Defence Leagues« in anderen Ländern unterstützen. Nach eigenen Angaben verfügt die GDL bereits über 13 Regionalgruppen, sogenannte »Divisions«, so in Köln, Rhein-Main, Kassel, Karlsruhe, Stuttgart, Nürnberg, Sachsen, Pommern, Berlin, Hannover, Braunschweig, Weser-Ems und Kiel.

2003 gründeten der Autor und Dokumentarfilmer Michael Miersch, der Publizist Henryk M. Broder und Dirk Maxeiner die Internetseite »Die Achse des Guten«. Ende 2011 besuchten täglich etwa 26.000 Besucher die Seite. Die Satirezeitschrift »Titanic« bezeichnete die »Achse des Guten« als »eine krude Mischung aus Islamophobie, Klimawandelleugnung und Radikalliberalismusvergötzung«. Miersch und Maxeiner gehörten zum Autorenkreis der mittlerweile eingestellten Zeitschrift »Criticon«, in der Konservative und extrem rechte Kräfte zusammengeführt wurden. Miersch war in der Vergangenheit auch Autor und Interviewpartner der rechtsliberalen Zeitschrift »eigentümlich frei«. Auch Vera Lengsfeld, regelmäßige Autorin der »Preußischen Allgemeinen Zeitung / Das Ostpreußenblatt«, Prof. Dr. Michael Wolffsohn, Leon de Winter, Matthias Matussek (Autor des Buches »Das katholische Abenteuer«) und Jan Fleischhauer (»Unter Linken«) schreiben hier. Seit 2011 vergibt die »Achse des Guten« einen Anti-Preis, den »Pino-Preis für Pseudowissenschaft in Politik und Publizistik«. »Normale Irrlehren« wie Homöopathie und Marxismus sollten dabei aber keine Beachtung finden, so Achse-Autor Burkhard Müller-Ullrich anlässlich der Preisverleihung im Jahr 2011 in Berlin.

Der von links nach rechts übergelaufene Publizist Jürgen Elsässer stellt innerhalb des rechtspopulistischen Spektrums einen Sonderfall dar. Elsässer ist seit Ende 2010 Chefredakteur des Monatsmagazins »COMPACT« (»Nicht links, nicht rechts, sondern vorn«) mit einer Anfangsauflage von 10.000 Exemplaren. Elsässer unterhält gute Kontakte zur »Islamischen Zeitung« und war im April diesen Jahres Teilnehmer einer illustren Reisegruppe in den Iran. Die von Yavuz Özoguz vom Verein »Islamischer Weg« geleitete Reisegruppe wurde sogar vom iranischen Präsidenten Ahmadinedschad empfangen. Yavuz Özoguz und sein Bruder Gürhan unterstützen schon seit vielen Jahren die »Islamische Revolution« im Iran. Der Verein ging aus der »Islamischen Gemeinschaft in Clausthal« hervor, deren Gründer, Mohammad-Ali Ramin, heute Berater des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad ist. Ramin war es auch, der 2006 im Iran eine internationale Holocaust-Leugner-Konferenz organisierte, an der Geschichtsrevisionisten und Neonazis aus zahlreichen Ländern teilnahmen. Der Betreiber der Internetseite »Muslim-Markt«, Yavuz Özoguz, mußte sich 2004 wegen Volksverhetzung vor dem Amtsgericht Delmenhorst verantworten. Er hatte eine Rede des iranischen »Revolutionsführers« Al Chamenei dokumentiert, in der dieser die Gaskammern als »Märchen« bezeichnet hatte. Das Verfahren wurde letztendlich gegen Zahlung von 1000 € eingestellt. Berührungsängste gegenüber der extremen Rechten kennt Yavuz Özoguz nicht. In einem Interview mit der NPD-Zeitschrift »Deutsche Stimme« zeigte Özoguz gar »Berührungspunkte« auf. Auf der Internetseite des »Muslim-Markt«, auf der 2007 Selbstmordattentäter als »besonders mutige Kämpfer« bezeichnet wurden, gibt es auch zahlreiche Interviews. So z.B. 2006 mit dem damaligen NPD-Bundesfunktionär Andreas Molau, der heute bei »Pro NRW« aktiv ist. Leider finden sich auch immer wieder sich als links verstehende Personen, die dem »Muslim-Markt« ein Interview geben. Zu den Autorinnen und Autoren in Elsässers Zeitschrift »COMPACT« gehören neben Anhängern von Verschwörungstheorien aller Art Akteure aus dem extrem rechten Spektrum. Auch findet man in »COMPACT« Anzeigen für einschlägig rechte Zeitschriften und Internetprojekte. »COMPACT« versteht sich dabei als »unabhängiges Monatsmagazin«, das sich nicht »den Vorgaben der Political Correctness« beugen will, den »Totalitarismus der Neuen Weltordnung« attackiert und »demokratische Linke, demokratische Rechte, Moslems und Islamkritiker im offenen Dialog« zusammenbringen will. Anscheinend gibt es noch Linke, die nicht mitbekommen haben, dass Elsässer längst die Seiten gewechselt hat. Mit Unterstützung seiner »Volksinitiative gegen das Finanzkapital« führte Elsässer Konferenzen gegen die »Euro-Diktatur« durch und lud bekannte rechte EU-Kritiker ein. Auf seiner letzten »Anti-Euro-Konferenz« im Februar 2012 in Berlin wurde eine »Adlershofer Erklärung« verabschiedet, in der eine »bundesweite Volksabstimmung über den Euro« gefordert wird.

Publizistische Unterstützung erhalten die verschiedenen rechten ESM-Vertrags-, Euro- und EU-Kritiker nicht nur von der »Jungen Freiheit« und der »Preußischen Allgemeinen Zeitung / Das Ostpreußenblatt«. Auch die in Düsseldorf im 15.Jahrgang erscheinende rechtsliberale Zeitschrift »eigentümlich frei« mischt kräftig mit. Herausgeber Andre F. Lichtschlag (»Kein Fußbreit den wildgewordenen neosozialistischen Ausbeutern aus den Bürokratiebunkern der EU«) wurde 2009 für seine »Verdienste« mit dem Gerhard Löwenthal-Preis der »Jungen Freiheit« ausgezeichnet. In »eigentümlich frei« kommen einschlägig rechte Akteure, so der damalige NPD-Chef Udo Voigt und der Berliner Querfrontler Peter Töpfer ebenso zu Wort, wie der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler oder der ehemalige BDI-Chef Hans-Olaf Henkel. Der Redaktion der Zeitschrift, die u.a. ganzseitige Anzeigen des »Degussa-Goldhandel« und der »VermögensManufaktur«, einem Unternehmen der August von Finck-Gruppe abdruckt gehört auch Bruno Bandulet an. Dieser hatte sich in den 1990er Jahren beim rechtsliberalen »Bund Freier Bürger« engagiert. Bei der NRW-Landtagswahl 2012 unterstützte die Zeitschrift publizistisch die Kandidatur der neoliberalen Kleinpartei »Partei der Vernunft«. Deren Bundesvorsitzender, der Wirtschaftsjournalist Oliver Janich, unterhält wiederum gute Kontakte zu Elsässers »COMPACT«, als Autor wie auch als Referent auf deren Konferenzen. Enge Verbindungen von »eigentümlich frei« gibt es auch zur »Friedrich August von Hayek-Gesellschaft e.V.«, dem »Liberalen Institut« der FDP-nahen »Friedrich-Naumann-Stiftung« und den in zahlreichen Orten vertretenen »Freiheitsfreunden«.

Nachdem der ehemalige BDI-Chef Hans-Olaf Henkel, gelegentlicher Autor und Interviewpartner der »Jungen Freiheit«, Ende 2011 den »Freien Wählern« beitrat, versuchen diese sich verstärkt als EU-kritische Kraft zu profilieren. Seit Mai führt der recht heterogene Zusammenschluss eine Unterschriftensammlung gegen die Unterzeichnung des ESM-Vertrags durch. Anfang Juni sprach »Freie Wähler«-Chef Hubert Aiwanger auf einer Demonstration gegen den ESM in München. Dort bezeichnete er die Politik Angela Merkels als »DDR-Politik«. Unterstützung finden die Proteste gegen den ESM auch beim »Bund der Steuerzahler« in Bayern. Dieser hatte gleich eine Aktion »Stopp ESM« ins Leben gerufen und eine Unterschriftensammlung gestartet. Zur Bundestagswahl 2013 wollen die »Freien Wähler«, die im bayerischen Landtag über 20 Abgeordnete verfügen, verstärkt den »Marsch in einen EU-Zentralstaat« thematisieren und für ein »Europa der Vaterländer« eintreten.

Im Vergleich zu den »Freien Wählern« ist der Verein »Zivile Koalition« mit Sitz in Berlin geradezu aktionistisch. Der Verein versteht sich selbst als überparteiliche Bürgerbewegung für grundsätzliche Reformen. Der Widerstand gegen den ESM-Vertrag steht bei der »Zivilen Aktion« derzeit ganz oben auf der Tagesordnung. Über 800.000 verschickte Protest-E-Mails, also im Schnitt 1.300 E-Mails für jede/n Bundestagsabgeordnete/n, meldete Vereinsvorsitzende Beatrix von Storch Mitte Mai. Darüber hinaus vertreibt der Verein Protestpostkarten an führende Politiker, betreibt eine Internetseite und unterstützte Anfang Juni eine Protestkundgebung gegen den ESM-Vertrag vor dem Berliner Reichstag, an der sich auch ATTAC-Aktivisten und Vertreter von »Die Freiheit« sowie der »Partei der Vernunft« beteiligten. »Die Volksvertreter vertreten das Volk nicht mehr. Die Parteien sind gleichgeschaltet. Sie verzocken unsere Einkommen und Vermögen…«, heißt es im Mai-Rundbrief der »Zivilen Koalition«. Und: »Nationale Souveränität, Demokratie und Rechtsstaat werden einem europäischen Zentralverwaltungskommitee geopfert«. Im Jahr 2000 war von Storch, damals noch unter ihrem Geburtsnamen Beatrix Herzogin von Oldenburg, noch Sprecherin der »Studenten für den Rechtsstaat«. Zweimal gab die heutige Rechtsanwältin der »Jungen Freiheit« ein Interview. Gatte Sven von Storch betreibt darüber hinaus die Internetseite www.abgeordneten-check.de, die ebenfalls die Proteste gegen den ESM-Vertrag mitträgt.

Eher virtuell bewegt sich das »Bündnis Bürgerwille« um den Volkswirtschaftler Prof. Dr. Bernd Lucke. Dieser war zeitweilig Referent beim »Sachverständigenrat zur Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in der DDR«, bevor er wieder an die Universität zurückkehrte. Das »Bündnis« hatte 2011 eine Petition gegen den ESM beim Bundestag eingereicht, die schon nach kurzer Zeit von 13.000 Menschen unterzeichnet worden war. Auch für ein Austrittsrecht aus dem Euro setzt sich das »Bündnis« ein, dem sich fast 10.000 Unterzeichner, darunter der ehemalige sächsischen Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und der frühere FDP-Politiker Burkhard Hirsch, angeschlossen haben. Bernd Lucke, der Gründer und Sprecher des »Bündnis Bürgerwille«, wurde unlängst noch in der »Jungen Freiheit« interviewt.

Potential wäre also durchaus vorhanden für eine – möglicherweise auch erfolgreiche – gemeinsame rechtspopulistische Partei. Allerdings sind die Befindlichkeiten der jeweiligen Führungen teilweise recht ausgeprägt. Nachdem in der Vergangenheit diverse Projekte gescheitert sind und zahlreiche ihrer Akteure wieder in der Versenkung verschwunden sind, ist man vorsichtig geworden. Und so versucht man lieber erst einmal das eigene Projekt zu pflegen und zu erweitern und geht derzeit meist getrennte Wege, durchaus in der Hoffnung, einmal als großes Ganzes zuschlagen zu können. Es empfiehlt sich daher, auch künftig sehr genau zu beobachten, was sich da entwickelt.