Reportagelieder

geschrieben von Das Gespräch führte Jürgen Gechter

5. September 2013

Gespräch mit Bernd Köhler, alias »Schlauch«

März-April 2007

Es wird im Frühjahr eine neue CD mit Liedern von Schlauch geben, die in den letzten Jahren entstanden sind. Mit dabei sind der Gitarrist Hans Reffert, Laurent Bürkle aus dem Elsass mit seinem Akkordeon und Christiane Schmied, die von der elektronischen Musik her kommt. Buchen kann man die Gruppe unter dem Namen: »das kleine elektronische Weltorchester« (ewo2)

Mehr Infos unter: www.ewo2.de

antifa: Um Bernd Köhler alias »Schlauch«, den kämpferischen Liedermacher aus Mannheim, war es lange Zeit still geworden. Jetzt ist im letzten Jahr bei JumpUp die CD »Schlauch live«, ein Mitschnitt aus dem Jahr 1989, herausgekommen. Davor eine Single, die du zusammen mit Kolleginnen und Kollegen von Alstom-Mannheim aufgenommen hast. Was hat dich bewogen wieder auf den Plan zu treten?

Bernd Köhler: Es ging mir wie vielen aus der Zunft. Die einschneidenden Veränderungen Ende der 80er-Jahre waren auch einschneidend für das Liederschreiben und -singen, auch eine Variante von Degenhardts »Zwischentöne sind nur Krampf im Klassenkampf«. Es kann Situationen geben, in denen es komisch wird, als ewiger Mutmacher daherzukommen, wo man einfach nichts mehr sagen will und kann, auch wenn einem viel durch den Kopf geht. Kurz, ich habe ein rundes Jahrzehnt zur Reflexion gebraucht. Den Liedermacher haben dann die Kolleginnen und Kollegen vom Turbinenbauer Alstom in Mannheim herausgefordert – eine tolle, motivierende Truppe, der ich 2003 für ihren Kampf um die Arbeitsplätze das »Résistance-Lied« geschrieben habe.

antifa: Auf deiner authentischen und lebendigen Live-CD singst du unter anderem vom Kampf gegen das AKW in Brokdorf, von Nicaragua oder zu den Stahlarbeiterstreiks im Ruhrgebiet. Warst du überall vor Ort?

Köhler: Es war mein Prinzip, über das zu singen und zu berichten, was ich selbst gelebt oder erlebt hatte. Zeitnah, aktuell, Reportagelieder sozusagen. Da musst du schon bei Aktionen vorn mit dabei gewesen sein oder bei Streiks. Aber es gab auch Geschichten, die ich nur vom Hörensagen, aus Filmen oder Büchern kannte, die mich aber so bewegten, als wäre ich dabei gewesen.

So war der Ausgangspunkt für das Nicaragualied ein kurzer Filmstreifen, auf dem durch das Auge des Kameramanns der für ihn tödliche Schuss eines Nationalgardisten festgehalten wurde. Titel des Liedes, das musikalisch fast atonal daherkommt: »Der Film reißt ab«.

antifa: Und was haben uns diese doch etwas angestaubten Lieder heute noch zu sagen?

Köhler: Nun ja, es sind erzählte Geschichten und Geschichte, in denen sich vor allem Haltungen vermitteln und das hat ja doch eine zeitlose Komponente. Und viele der Themen sind heute fast aktueller als damals. Außerdem sind einige Lieder durch die Instrumentierung und die Arrangements von Hans Reffert und Barbara Lahr auch musikalisch ein echter Hammer.

antifa: Du bist Mitglied der VVN-BdA. Warum?

Köhler: Mitglied der VVN wurde ich, wie viele aus meiner Generation, über die Auseinandersetzung mit der Zeit des Hitlerfaschismus. Es waren ja unsere Eltern, die den Weg in den Faschismus und in den Weltkrieg mitgemacht hatten und die Erinnerungen an diese »große Zeit« bestimmten bei uns so manche Familienfeier. Ende der 60er-Jahre war es dann die rebellische Studentenbewegung, bzw. die APO, die den radikalen Bruch mit dieser Vergangenheit herausgefordert hat. Wir entdeckten plötzlich, dass es neben den mystifizierten Kriegshelden und -geschichten auch Leute gab, die den Mut hatten, sich dem Terror der Nazis entgegenzustellen. Die für ihre Überzeugung verfolgt, eingesperrt und umgebracht wurden. Die VVN war ihre Organisation und in deren Tradition sah ich mich mit meinen Ansichten und Absichten.

antifa: Einer deiner Songs auf der CD trägt den Untertitel »Nazis raus aus unserer Stadt«. Dieser Slogan ist in den letzten Jahren immer weiter verdrängt worden. Ist er vielleicht nicht mehr zeitgemäß?

Köhler: Aus Erfahrung weiß ich, dass der Slogan, wenn es hart auf hart kommt, z.B. bei Blokadeaktionen, stimmig und aktuell ist. Vergleichbar mit dem witzigeren »Nazis verpisst euch, keiner vermisst euch«. Das Lied hat im übrigen den Titel »Gute Tradition« und erzählt die Geschichte des antifaschistischen Widerstandes in meiner Heimatstadt bis zu den Mannheimer Interbrigadisten, die in Spanien gefallen sind.

antifa: Du bist auch Grafiker und hast für die VVN-BdA das Logo zur Forderung nach einem NPD-Verbot entwickelt. Wie stehst du selbst zu dieser Forderung?

Köhler: Ich finde die Forderung uneingeschränkt richtig. Die NPD ist die wichtigste Sammelbewegung im rechtsextremen Spektrum und sieht sich, auch wenn sie das nicht offen benennt, in der Nachfolge des Dritten Reichs. Man muss nur einige NPD-Demos erlebt haben, dann kennt man den wahren Charakter dieser Partei. Und sie dockt mit ihrer Hetze gegen Juden, Ausländer oder Behinderte am dumpfesten nationalen Sumpf an. Diesem Einfluss muss konsequent entgegen getreten werden, das ist die im Grundgesetz verankerte Lehre aus der Zeit des Hitlerfaschismus. Und der Staat ist verpflichtet dem Grundgesetz in diesem Sinne Geltung zu verschaffen, mit all seinen Möglichkeiten und der ganzen Wucht seines Staatsapparats. Wozu er da fähig ist, hat er gegenüber uns Antifaschisten oder Linken ja nur zu oft und spürbar bewiesen.