»Richtig, notwendig, gut«

geschrieben von Peter Rau

5. September 2013

Victor Grossman blättert in der Geschichte des Spanien-Krieges
1936-1939

Sept.-Okt. 2007

Victor Grossman:

Madrid, du Wunderbare. Ein Amerikaner blättert in der Geschichte des Spanienkrieges. GNN-Verlag Schkeuditz 2006, 420 Seiten,. ISBN: 3-898819-235-0, 19,- Euro

Es hat auch in den letzten Jahren keinen Mangel gegeben an Neuerscheinungen bzw. Nachauflagen von Büchern über jenen Krieg, der in der bürgerlichen Meinungsmache wohl bewußt und absichtsvoll nur als Bürgerkrieg firmiert. Denn: Degradiert man den Kampf zur Verteidigung der zweiten Spanischen Republik in den Jahren 1936 bis 1939 zu einem Bürgerkrieg, so muß nicht groß über den – unter dem Deckmantel einer scheinheiligen »Nichteinmischung« betriebenen – Verrat der westlichen Demokratien geredet werden.

Victor Grossman hat ganz bewusst einen völlig anderen Ansatz gewählt – jenen, der diesen Krieg zu etwas ganz Besonderem machte: den solidarischen Einsatz von rund 40.000 »voluntarios de la libertad«, der »Freiwilligen der Freiheit« aus über 50 Ländern, die gekommen waren, an der Seite des spanischen Volkes die demokratisch gewählte Volksfrontregierung gegen die Franco-Putschisten und die faschistische Internationale zu verteidigen.

Die Idee zu diesem Buch entstand im 2001 gegründeten Verein der »Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939« (KFSR), zu dessen Gründungsmitgliedern Grossman gehört. Für den 1928 in New York geborenen, nach einem Harvard-Studium Anfang der 50er Jahre aus der US-Army desertierten und seither in Ostdeutschland lebenden Publizisten war es keine Frage, sich dieses Themas anzunehmen und wider den vorherrschenden Diskurs in Sachen Spanien-Krieg anzuschreiben. Zumal ihn, wie er im Vorwort schreibt, diese Geschichte seit seiner Kindheit faszinierte und er später viele Menschen traf, die damals kämpfend dabei gewesen waren.

Beginnend bei den oft abenteuerlichen Wegen, auf denen die angehenden Interbrigadisten etwa aus den USA nach Spanien gelangten, über die Verteidigung Madrids und andere Kampfabschnitte bis hin zu den ganz verschiedenen Fronten des antifaschistischen Widerstandes, an denen Interbrigadisten während des zweiten Weltkrieges weiter für ihre Ideale stritten, hat Grossman deren Geschichten sowie die Erlebnisse und Erfahrungen vieler anderer Kampfgefährten zusammengestellt. Vor allem gestützt auf Briefe, Erinnerungsberichte, Tagebuchaufzeichnungen und anderes, weithin unbekanntes Material, entstand so, gegliedert in insgesamt 28 Kapitel, ein gleichermaßen facettenreiches wie authentisches Bild jener Zeit und ihrer Akteure. Nicht weniger glaubwürdig werden in Kapiteln über »die anderen«, über »Guernica« und die »Nichteinmischung« die auf der Gegenseite wirkenden Kräfte dargestellt – in Wehrmachtsberichten wie in Selbstzeugnissen von Angehörigen der Legion Condor, in Auskünften von Diplomaten und Historikern, in Politiker-Statements …

Auch einige »Randerscheinungen« – als Stichworte seien Barcelona, die POUM und die Anarchisten oder »stalinistischer Verfolgungswahn« genannt – lässt Grossman nicht außen vor; er kommt allerdings – gestützt auf unverdächtige Quellen – zu einigen anderen Schlussfolgerungen als deren Befürworter, wenn er etwa Orwells Erkenntnis »Es gab keine Entschuldigung dafür, einen Kampf hinter der Front anzufangen« zitiert. Oder den britischen Historiker Paul Preston: »Doch war es ja nicht Stalin, der für die Niederlage der Spanischen Republik verantwortlich war, sondern Hitler, Mussolini, Franco und Chamberlain. Es ist schwierig, sich vorzustellen, wie ein revolutionäres Spanien Erfolg hätte haben können ohne die Unterstützung mit russischen Waffen.«

In seinem »Spanischen Kriegstagebuch« notierte der in der DDR nach seiner Flucht in die BRD nicht mehr wohlgelittene Schriftsteller Alfred Kantorowicz: »Selbst nachmalige Wortführer des Antikommunismus wie Regler oder Koestler oder Louis Fischer oder Stephen Spender oder George Orwell haben die Notwendigkeit, in Spanien zuerst und vor allem den Faschismus und Nazismus zu bekämpfen, niemals geleugnet … Kurzum: Es war richtig, es war notwendig, es war gut, dass wir deutschen Freiwilligen – trotz allem – damals in Spanien für die Republik, gegen ihre Vergewaltiger, gekämpft haben.«

Victor Grossman wollte, wie er in seinem Vorwort bekennt, diese Geschichte(n) aufschreiben »in der Hoffnung, dass sie auch andere, besonders junge Menschen, interessieren oder gar fesseln können«. Es ist ihm gelungen. Gracias!