Theater für Toleranz

geschrieben von Axel Holz

5. September 2013

Die Kulturkate im mecklenburgischen Lübtheen

März-April 2008

Irgendwann im Frühjahr soll es ein großes Fest geben. Dann feiert die Kulturkate in Lübtheen ihr zehnjähriges Bestehen. Nach einem stressigen Theaterleben hatte sich Volkert Matzen in die „Griese Gegend“ in der Nähe von Ludwigslust zurückgezogen und mit Freunden ein Bauernhaus ausgebaut. Zur Eröffnung gab es eine Feier, zu der auch Nachbarn aus dem Dorf gekommen waren. Ein kleines Theaterstück fand begeisterte Resonanz bei den Zuschauern. Ob man so etwa nicht öfter machen könne, wurde in den Raum gefragt. Entstanden ist daraus ein Theaterprojekt mit sechzig Vorstellungen im vergangenen Jahr. Neben den Bewohnern der Kulturkate sind zahlreiche Schauspieler aus verschiedenen Teilen Deutschland in die Arbeit integriert, und mittlerweile eine Reihe Laienschauspieler aus dem dörflichen Umfeld. Doch die zugereisten Schauspieler aus Hamburg sind nicht die einzigen Neu-Mecklenburger in einer strukturschwachen Gegend, aus der die Ostdeutschen in besonders hohem Maße abwandern.

Auch der jetzige NPD-Fraktionschef im Schweriner Landtag, Udo Pastörs, lebt in Lübtheen, betrieb dort mehre Jahre ein Schmuckgeschäft und baute seine rechtsradikalen Strukturen auf. Das Schmuckgeschäft gibt es nicht mehr, dafür aber ein Wahlkreisbüro der NPD und viel Angst vor dem Erstarken der NPD-Krake. Mittlerweile haben sich einige Bürger in einem Bürgerbündnis gegen Rechts zusammengeschlossen. Ganz allein stand die Bürgermeisterin zunächst da. Irgendwann fand die Bürger-Initiative zur Verhinderung von Braunkohleabbau die Kraft, den Mitbegründer und NPD-Aktivisten Pastörs wegen seiner rassistischen Ausfälle aus der Bürgerinitiative zu werfen. Das Klima im Ort begann sich zu verändern. Nicht zuletzt die Aktivitäten der Kulturkate in Lübtheen hatten zahlreiche Bürger bestärkt, den Nazis nicht das Feld zu überlassen und sich aktiv um die Entwicklung der Demokratie in ihrer Region zu kümmern.

Das „Theater Kulturkate“ 1998 von Volkert Matzen und Charlotte Bjelvenstam gegründe, ist seit 2004 ein eingetragener gemeinnütziger Verein. Am 27. Februar 1989 wurde das Theater in der Diele des Hauses mit Platz für 95 Zuschauer mit Tschechows Einaktern „Der Bär“ und „Der Heiratsantrag“ eröffnet. Mittlerweile steht eine Zuschauertribüne neben dem Bauernhaus und ein Dutzend Stücke wurden aufgeführt. Im vergangenen Jahr spielten die Schauspieler mit Unterstützung von Laien aus dem Ort Shakespeares Sommernachtstraum. In diesem Jahr folgt die für die Griese Gegend geschriebene Variante „Romeo und Julia auf dem Lande“. Zahlreiche Künstler gastierten bereits in der Kulturkate. Unter ihnen Eva-Maria Hagen, Sebastian Hufschmidt und Christian Kaiser. Mit der Reihe „Kultur gegen Rechts“ wollen die Künstler ein Zeichen gegen Faschismus und Intoleranz setzen und ihre Empörung über den Einzug der NPD in den Landtag artikulieren. Ein besonderes Augenmerk soll in Zukunft auf die Arbeit mit Jugendlichen gelegt werden. Projekttage, wie die mit der Lübtheener Regionalschule werden nun auch in anderen Schulen angeboten. Darüber hinaus sollen regelmäßig Theaterworkshops mit dem Ziel stattfinden, Jugendliche in das diesjährige Freilichttheaterstück einzubinden.

Bereits im Dezember des vergangenen Jahres sensibilisierte das Theater Schüler der Regionalschule Lübtheen mit Ionescos Stück „Die Nashörner“ auf unterhaltsame und spielerische Art dafür, wie demokratiefeindlicher Gruppen funktionieren. In der Reihe „Kultur gegen Rechts“ zeigte Das Tandera Theater mit „1944 – Es war einmal ein Drache …“ – eine wahre Geschichte aus dem Konzentrationslager Ravensbrück. Ödon von Horwaths „Jugend ohne Gott“ stellt in einer Lesung von Thomas Hodina und Volkert Matzen Deutschland am Vorabend der Machtergreifung durch die Nazis vor. Alte Reaktionäre wittern Morgenluft. Junge Menschen lassen sich verführen. Die Parallelen zur Gegenwart sind unverkennbar.

Nach der Auszeichnung als „Botschafter der Toleranz“ durch die Bundesregierung und den Besuch des Bundespräsidenten im Juli 2007 haben die Theatermacher einigen Rückenwind erhalten und gehen mit Elan an neue Vorhaben. Mittlerweile hat auch die Wirtschaft die Gefahren des Neonazismus in Mecklenburg-Vorpommern erkannt. Statt Angst vor angeblicher Verschreckung der Touristen durch antinazistische Aufklärung, wie noch vor Jahren, erkennt die Tourismuswirtschaft mehr und mehr ihre Verantwortung für die Stärkung der Demokratie. Erste Zahlen über ausbleibende Besucher durch neonazistische Aktivitäten hatten den Tourismusverband alarmiert. Den Erlös ihres Glühweinverkaufs auf dem Schweriner Weihnachtsmarkt spendeten die Schweriner Wirtschaftsjunioren für die Kulturkate. Meldungen über rassistische Vorkommnisse und sonstige rechtsextremistische Umtriebe hätten negative Auswirkungen auf potentielle Investoren, die Arbeit ausländischer Wissenschaftler und qualifizierter Arbeitskräfte. Es sei Zeit, Zeichen zu setzen, so deren Sprecher, Matthias Bonk. Dem können wir uns nur anschließen.