Unser Tag (1990)

geschrieben von Karsten Troyke

5. September 2013

Erinnerung an den ersten »Tag der Erinnerung, Mahnung und
Begegnung«

Sept.-Okt. 2007

Der Text des Sängers und Schauspielers Karsten Troyke stammt aus der Broschüre »60 Jahre Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes; Lesebuch zur Geschichte und Gegenwart der VVN«, herausgegeben von Hans Coppi und Nicole Warmbold. Die Broschüre ist über alle Landesvereinigungen zu beziehen, oder über die Bundesgeschäftsstelle der VVN-BdA, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin

Gedenken an die Opfer des Faschismus: Das erstarrte Ritual der DDR-Zeit hatte in mir keinen »Kampfgeist« geweckt, man hatte dort eigentlich nur einem Staatsakt zuschauen können, war meine Erinnerung. Aber nun, 1990: Endlich war der offiziöse Beigeschmack des OdF-Tages weg. Neben vielen anderen wurde auch ich angefragt, ein paar Lieder zu singen, Lea Rosh stand auf der Bühne, Bekannte und Freunde kamen aus Ost und West, mit Perry Friedman redeten wir über die Möglichkeiten einer Canada-Tournee…

Es war plötzlich so etwas wie »unser« Tag. Ich habe erst gar nicht bemerkt, dass der Tag einen neuen Namen bekommen hatte: »Tag der Erinnerung, Mahnung und Begegnung«. Ich nannte ihn noch Jahre lang OdF-Tag. Inzwischen heißt er auch »Aktionstag gegen Rassismus; Neonazismus und Krieg« und ich überlege, was das bedeutet. Die meisten Jahre seit 1990 war ich dabei, oft zusammen mit Bettina Wegner und Suzanna. Es kommen inzwischen nicht mehr so viel Leute hin und manchmal hat der Tag den Charakter eines »linken« Flohmarktes. Die alten Reflexe sind präsent: Nationalsozialismus gleich Imperialismus gleich Krieg, was mir eigentlich zu einfach gedacht ist. In die Stände mieten sich auch Maoisten, Stalinisten und »Anti-Imperialisten« etwa ein, wenn auch die Initiatoren aus einem viel breiteren Spektrum kommen: Aktion Sühnezeichen, Antirassismus-Vereine, jüdische Organisationen, antifaschistische Initiativen u.v.a. mehr.

Die »jungen Leute«, wer immer das ist, sollen interessiert werden, darum gibt es jetzt Preisausschreiben und Popmusik. Inzwischen wünschte ich mir manchmal wieder einen offizielleren Charakter des Ganzen und mehr Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Dieser Teil der deutschen Geschichte ist immer noch präsenter, als uns glauben gemacht wird, und ein solcher Tag des Nicht-Vergessens bleibt immer noch wichtiger, als wir je befürchtet hatten.