Verfemung, Raub, Mord

geschrieben von Ernst Antoni

5. September 2013

Vor 70 Jahren: Die Ausstellung »Entartete Kunst« in München
und die Folgen

Sept.-Okt. 2007

Klickt man im Internet die Homepage der NPD an und auf dieser wiederum die Rubrik »Kultur«, dann landet man bei einem Beitrag über die jüngste Schau der Werke des NS-Hofkünstlers Arno Breker in Schwerin. Darin heißt es: »Groß ist daher auch die Sehnsucht vieler Deutschen (so »deutsch« steht es da , E.A.) abseits vom sonstigen Kulturmüll, der uns in der Gegenwart vorgesetzt wird, wieder Werke zu betrachten, die ein Ideal vermitteln und zudem einfach schön anzusehen sind. Sie treten jenen Werken entgegen, bei denen Erwachsene wohl eher zu Kleinkindern mutieren.«

Vor 70 Jahren, am 19. Juli 1937, wurde in München mit großer propagandistischer Begleitmusik die Ausstellung »Entartete Kunst« eröffnet, in der 650 Kunstwerke, aus 32 Museen beschlagnahmt, wild unter-, über- und durcheinander gehängt und aufgestellt wurden. Hinter dem gewollt chaotischen Eindruck der Präsentation – unterstrichen durch handgemalte hämische Kommentierungen der Werke – stand dennoch ein »Ordnungsprinzip«: Die Räume und Wände in der Galerie am Hofgarten waren meist mit einem Motto zu den Bildern versehen: »Offenbarung der jüdischen Rassenseele«, »Aufmarschplan der Kulturbolschewisten«, »Deutsche Bauern jiddisch gesehen«, »Bewusste Wehr-sabotage. Beschimpfung der deutschen Helden des Weltkrieges«, »So schauten kranke Geister die Natur«.

Die »kranken Geister« waren – wie auch die »Kleinkinder« – ein brauner Faden, der vor allem im kurz nach der Eröffnung gedruckten »Ausstellungsführer« eine wichtige Rolle spielte. Es handelte sich ja um eine »Konfrontationsausstellung«. Gleichzeitig wurde in München das im Auftrag Hitlers entworfene »Haus der Deutschen Kunst« am Englischen Garten feierlich eingeweiht und erstmals die künftig jährlich stattfindende »Große Deutsche Kunstausstellung« gezeigt: »Werke, die ein Ideal vermitteln und einfach schön anzusehen sind« eben. Die Bilder des Kunstprofessors und Nazis Adolf Ziegler etwa, wegen der von ihm detailgetreu gemalten Frauenakte despektierlich auch »Reichsschamhaarkünstler« genannt. Er war der Hauptorganisator der »Entartete-Kunst-Schau«.

Obwohl in den vergangenen Jahrzehnten viel zu diesem Propagandaunternehmen geforscht und publiziert wurde, ist im öffentlichen Bewusstsein vor allem präsent, dass sich die Schau gegen die »klassische Moderne«, wie man sie heute nennt, gerichtet habe. Richtig: Klee, Kandinsky, Beckmann, Corinth, Kirchner, Pechstein und viele andere gehörten zu den Verfemten. Aber eben auch jene, die dezidiert politisch mit ihrer Kunst wirken wollten: Dix, Grosz, Grundig zum Beispiel und jene, die – aus welcher künstlerischen Strömung auch immer kommend – als »Juden« gebrandmarkt wurden, wie Adler und Freundlich. Wer sich nicht in die Emigration retten konnte, dem standen Konzentrationslager und Ermordung bevor.

Vieles kam 1937 zusammen, das schon vor 1933 seine Vorbereitung gefunden hatte. Der Kampf gegen den »jüdischen Kulturbolschewismus«, gegen all das, was dem »gesunden Volksempfinden« zuwider sein sollte: Die »moderne Kunst« in ihrer ganzen Formenvielfalt, politisch-kritische, antimilitaristische oder antifaschistische Kunst ohnehin, alles als »jüdisch« oder sonst »volksfremd« Denunzierte – und auch die private Rache der »nationalen Künstler« am »Kunstbetrieb« der Weimarer Demokratie. Neben den im ganzen Land in Museen konfiszierten ausgestellten Werken stand oft zu lesen, für welche Beträge sie dort einst angekauft wurden: Für so was, wurde suggeriert, wurde »Volksvermögen« verschleudert. Die »Entartete-Kunst-Ausstellung« war ein ungeheurer Erfolg: 20.000 Besucher am Tag waren die Regel, ab November 1937 wanderte sie dann in zahlreiche deutsche Städte.

Die Nachwirkungen waren für das NS-Regime einträglich. 1939 folgte noch eine Verbrennung missliebiger Kunstwerke in Berlin, sie diente aber eher der Ruhigstellung brauner Kunstkampf-Truppen. Die Plünderung von Museen und Galerien (es ging ja insgesamt um zehntausende von Kunstwerken) hatte sich längst als gutes Geschäft erwiesen: Die politischen und wirtschaftlichen »Eliten« des NS-Systems begaben sich auf den internationalen Kunstmarkt – und manch einer ließ sich nach 1945 dafür auch noch als Retter verfemter Kunst feiern. Echte Retter, die es auch gab – Sammler und Galeristen, die Künstlern auf der Flucht vor den Nazis halfen und ihr Werk für die Zeit nach der Befreiung vom Faschismus bewahrten – sind damit nicht gemeint.